Hallo zusammen,
ich habe heute einen Fall eines aus der Ukraine geflüchteten nichtukrainischen Staatsangehörigen, der am 24.02.2022 in der Ukraine mit einem befristeten ukrainischen
AT lebte, jedoch keine ukrainischen Familienangehörigen hat. Er hat bereits im Februar dieses Jahres eine über ein Jahr gültige
FB bekommen und seitdem bezieht er Bürgergeld vom Jobcenter.
Vor ein paar Wochen stellt das Jobcenter die Leistungen plötzlich ein mit der Begründung, sein Antrag auf
AE § 24
AufenthG sei abgelehnt worden. Der Grund dafür ist unten angehängtes Schreiben der
ABH vom Mai 2023, das vom Jobcenter als endgültige Ablehnung ausgelegt wurde. Gegen die Einstellung der SGB II-Leistungen legte der Betroffene nun Widerspruch ein und gleichzeitig beantragte er Eilrechtsschutz beim Sozialgericht. Das Jobcenter besteht darauf, dass nach der Ablehnung der
AE der Betroffene kein Aufenthaltsrecht in DE habe, und schickt ihn zum Sozialamt, damit er dort SGB XII-Leistungen bekommt. Der Richter lädt das Sozialamt bei, welches die laufenden Leitungen nach § 23
SGB XII ebenso ablehnt, jedoch bereit ist die sog. Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3
SGB XII bis zu seiner Ausreise zu gewähren. Daraufhin bietet der Betroffene den Richter, seine Ausländerakte bei der
ABH anzufordern bzw. diese dem Verfahren hinzuzuziehen und/oder die
ABH selber, alternativ die für die
ABH zuständige Fachaufsichtsbehörde und/oder die für die vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer zuständige Landesbehörde beizuladen. Bisher reagierte der Richter darauf nicht, mittlerweile werden bereits seit zwei Monaten keine Leistungen gewährt.
Daher ist die Frage, ob man das o.g. Schreiben als (negative) sachliche Entscheidung verstehen soll? Dafür spricht folgendes:
1. Es entspricht den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG (
"Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten").
2. Es enthält eine gewisse Begründung.
Dagegen spricht jedoch folgendes:
1. Die Begründung ist ziemlich abstrakt gehalten, der in Anführungszeichen aufgeführte zweite Absatz spricht dafür, dass man den Passus per copy&paste irgendwoher hergeholt hat ohne den eigene Stellung in einem konkreten Fall dazu vorgenommen zu haben.
2. Keine detaillierte Begründung des ausgeübten Ermessens in Bezug auf die (Un-)möglichkeit, ins Heimatland/Herkunftsregion sicher und dauerhaft zurückzukehren (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG).
3. Dem Betroffenen wurde keine Anhörung eingeräumt, weder vor Zusendung des o.g. Schreibens noch danach.
4. Der Ausdruck
"kommt derzeit nicht in Betracht" ist nicht mit
"AE wird abgelehnt" gleichzustellen. Es ist auch nicht klar, was mit
"derzeit" gemeint ist und wie sich das im Weiteren ändern kann? Auch wenn der Betroffene z.B. ein Kind mit ukrainischer StA bekommen soll, würden dadurch nicht die Erteilungsvoraussetzungen für eine
AE § 24
AufenthG erfüllt werden, da dieses Tatbestandmerkmal ja bereits vor der Flucht nach DE erfüllt gewesen sein muss.
5. Dem Betroffenen wurde in den seit der Zustellung des o.g. Schreibens vergangenen fünf Monaten weder seine
FB noch sein Reisepass einbehalten (das letztere hätte gemäß § 50 Abs. 5
AufenthG geschehen sollen).
6. Dem Betroffenen wurde weder eine Ausreisefrist gesetzt noch die Abschiebung angedroht.
Sollte der Richter die
ABH doch nicht beiladen wollen bzw. sich vom Jobcenter und Sozialamt von der stattgefundenen Ablehnung überzeugen lassen, würde es Sinn machen, eine entsprechende Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht zu erheben? Wie lässt sich der aktuelle Aufenthaltsstatus des Betroffenen sonst zweifelsfrei feststellen? Eine Untätigkeitsklage gegen die
ABH wäre wohl nicht nützlich, da der Betroffene gerade auf der Jobsuche ist und nach den entsprechenden Gesetzesänderungen zum 18.11.2023 eine
AE zur Erwerbstätigkeit beantragen will.
Danke für Eure Meinungen.
dim4ik