Petersburger schrieb am 08.06.2015 um 21:14:48:Das ist völlig klar und eindeutig - weitere Familienmitglieder sind nicht freizügig, sollen aber aufgrund nationalen Rechts ...
Ja, meinetwegen. In diesem Fall hätte ja die Tochter schon einen Anspruch auf
AE, wenn ihr Halbbruder nicht freizügigkeitsberechtigt wäre. Nur steht da eben der Sprachtest der Mutter im Weg.
Insoweit die Richtlinie die Freizügigkeit auf Verwandte in gerader Linie beschränkt und Andere dem Wohlwollen der nationalen Rechtsordnungen ausliefert, halte ich sie für falsch. Ich meine sogar, sie müsste - wie gerade an minderjährigen Freizügigkeitsberechtigten wie hier sehr deutlich wird - sogar auf nicht Verwandte wie zum Beispiel Kindermädchen und andere Haushaltsangestellte, vielleicht sogar Firmenmitarbeiter, erweitert werden. Denn: Die Mitgliedstaaten dürfen nichts, aber auch gar nichts tun, was den EU- Bürger in seiner Freizügigkeit behindert. Will nun der britische Staatsbürger mit seinem geliebten thailändischen Kindermädchen nach Deutschland kommen, dann würde er in seiner Freizügigkeit behindert, wenn das nicht problemlos ermöglicht würde.
Und seine thailändische Halbschwester sollte entgegen dem Wortlaut der Richtlinie als abgeleitet freizügig behandelt werden und eine Aufenthaltskarte erhalten, weil nur so die ganze Familie gemeinsam - und nicht behindert durch Antrag auf EEA Family Permit für die Halbschwester - nach Großbritannien oder Irland reisen kann...
Das ist meine Meinung, und deshalb habe ich auch die Verträge als Rechtsgrundlage angeführt. Da die Freizügigkeit einerseits ein beinahe voraussetzungloses Recht ist (Existenzminimum muss gesichert sein), wird sie aber andererseits auch schon dadurch unterlaufen und ausgehöhlt, dass der Freizügigkeitsberechtigte sich nicht mit denjenigen geliebten Personen umgeben kann, die die falsche Staatsangehörigkeit haben. Das Recht läuft leer, wenn Kindermädchen und Köchin oder auch der Gärtner nicht mit nach Éuropa kommen dürfen. Die Eltern eines Minderjährigen wären in so einem Fall in der Klemme. Sie müssten sich im Zweifel gegen den Umzug nach Europa entscheiden.
Ich würde so einen Kindermädchenfall gerne mal auf dem Rechtsweg sehen. Keine Ahnung, wie der EUGH das entscheiden würde. Ich vermute, dass solche Fälle von den
AV (und zwar nicht nur den deutschen) unbürokratisch ganz im Sinne der Freizügigkeit behandelt werden, ohne dass man das an die große Glocke hängt und vor allem, um eine Gerichtsentscheidung zu vermeiden.
Zur Zeit fehlt den meisten Menschen wahrscheinlich nicht so sehr das Geld, sondern vor allem das Wissen, um die restriktiven nationalen Gesetzgebungen für die Familienzusammenführung mithilfe ihres Freizügigkeitsrechts auszuhebeln. Vorläufig bleibt diese Möglichkeit beschränkt auf vergleichsweise Wohlhabende und gut informierte EU-Bürger. Wenn dieses Wissen aber einmal wirklich öffentlich wird, dann wird da kaum noch ein Halten sein. Wahrscheinlich haben die nationalen Regierungen vor kaum etwas noch größere Angst.