Ausnahme-Visum: Wegen der Mitwirkungspflicht muss der Ausländer selber die ihm günstigen, ermessensrelevanten Umstände angeben. Dass das nur höchst atypische sein können (vgl. die Beispiele in der VwV) ergibt sich bereits aus dem Wort "Ausnahme"-Visum. Die Grenzbehörde ist nicht verpflichtet, von Amts wegen "in alle Richtungen" Tatsachen zu ermitteln, die eventuell ein Ausnahme-Visum ermöglichen würden. Die bloße Trennung von Eheleuten für einen Zeitraum von mehreren Wochen und die finanziellen Aufwendungen reduzieren das Ermessen jedenfalls nicht auf Null. Das mag anders sein, wenn andernfalls eine ausländische Mutter von einem deutschen Säugling oder Kleinkind getrennt würde.
Daher volle Zustimmung zu Petersburger in diesem Punkt.
Die Annahme einer Amtspflichtverletzung halte ich daher hier auch - nach dem geschilderten Sachverhalt - für deutlich überzogen. Die Beamten haben, soweit ersichtlich, rechtmäßig gehandelt und sogar überobligationsmäßig versucht, das, was die
TS verbockt hat - in vielen Ländern, nicht nur D, ist es so, dass nach 6 Monaten Auslandsaufenthalt der Titel erlischt - gegenüber der
ABH wieder glattzuziehen.
Dass die
ABH da aus generalpräventiven Gründen nicht mitgezogen hat, kann ich persönlich schon verstehen, auch, wenn sicherlich auch der menschlich mitfühlende Bundespolizist sich eine andere Entscheidung gewünscht hätte. Aber außer von Bereitschaftsrichtern in Blutentnahme-, Verhinderungsgewahrsams- und ähnlichen Fällen wird eigentlich zu Recht von niemandem erwartet, dass er mal schnell eben am Telefon eine rechtlich eher wackelige Entscheidung trifft. Denn eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist zur Verlängerung der 6-Monats-Frist war nach Fristablauf ebenso zweifelhaft wie eine Unbeachtlichstellung der Frist nach § 85
AufenthG (mit welcher Rechtsfolge - Wiederaufleben einer bereits erloschenen
AE?) oder gar ein Absehen vom Visumverfahren nach § 5 Abs. 2.
In einem anderen Punkt stimme ich aber ausdrücklich nicht zu: Selbstverständlich ist es haftungsbewehrte Berufspflicht von Rechtsanwälten, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einfachen Rechts bereits im Verwaltungsverfahren aufzuwerfen und ggf. eine Entscheidung contra legem zu verlangen. Dies den Kollegen vorzuwerfen ist völlig verfehlt. Wenn nicht bereits im Verwaltungsverfahren eine solche Entscheidung beantragt wird, wird der erst noch zu erschöpfende Rechtsweg, damit ggf. eine Verfassungsbeschwerde zulässig wird (wenn nicht vorher gemäß Art. 100
GG vorgelegt wird) ja gar nicht erst eröffnet. Zur Dienstpflicht des Beamten gehört es dann übrigens auch, nicht Wut schnaubend zu behaupten, er könne ja gar nicht anders entscheiden, sondern die Argumente des Bürgers bzw. seines Bevollmächtigten für eine Verfassungswidrigkeit des einfachen Gesetzes sachlich zu prüfen und sich selbst hierzu eine Rechtsauffassung zu bilden. Teilt der Beamte die Auffassung einer Verfassungswidrigkeit der Norm, ist er verpflichtet, das Verwaltungsverfahren auszusetzen und über seinen Dienstvorgesetzten bei der obersten Bundes- bzw. Landesbehörde eine Entscheidung zu erbitten, ob ein abstraktes Normenkontrollverfahren angestrengt wird. Das gehört nämlich auch zur Gewaltenteilung, dass auch die Exekutive über die Judikative die Legislative kontrollieren kann. Wenn der Beamte vertretbarerweise zu dem Ergebnis kommt, die Norm ist verfassungsgemäß und es gibt keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und so wie skizziert zu verfahren, dann ist das eben so und gibt dienstrechtlich auch - wenn nicht die Verfassungswidrigkeit völlig evident sein sollte und zu Verletzungen der Menschenwürde, strafbaren Handlungen o.ä., § 63 Abs. 3 BBG, führen sollte - auch nicht Anlass zu dienstlicher Beanstandung. Aber der Beamte ist hier eben nicht in einer Dilemmasituation. Und selbst, wenn es in der Praxis so sein sollte, weil man keine Zeit hat für Verfassungsmäßigkeitsprüfungen und von seinem Vorgesetzten ausgelacht würde, wenn man eine Entscheidung der Bundesregierung über die Frage erbitten würde, ob ein Gesetz evtl. von der Bundesregierung als verfassungswidrig qualifiziert wird: Dann könnte man ja vielleicht immer noch Verständnis dafür aufbringen, dass das Insistieren auf die Verfassungswidrigkeit im Verwaltungsverfahren der einzige Weg ist, wie überhaupt verfassungswidrige Zustände abgestellt werden können. Denn eine direkte Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ist selbst innerhalb der dafür geltenden Jahresfrist in der Regel wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Rechtssatzverfassungsbeschwerde nicht möglich. Die Provokation von Verwaltungsgerichtsverfahren ist daher verfassungsprozessrechtlich gewollt.
Flugpreis: Die Frage der Verpflichtung zur Zahlung des "anwendbaren Flugpreises" halte ich für rechtlich ziemlich kompliziert. Da spielen eine Reihe von Fragen rein (AGB-Inhaltskontrolle, Schadensberechnung, Bereicherungsrecht, vielleicht sogar GoA...). Daraus könnte man an der Uni bestimmt eine schöne Hausarbeit im Zivilrecht stricken...