Muleta schrieb am 02.12.2014 um 10:21:46:Anders formuliert: was immer auch zu einer
AE 23 I geführt hat: es war kein Anerkennungsbescheid des
BAMF. Letzterer führt aber (ausschließlich) zur
AE 25 I (bzw. II).
Dieses Beispiel zeigt, dass es zwei verschiedene Zweckbegriffe gibt, die aber m.E. im Ergebnis auf dasselbe hinauslaufen.
Betrachtet man den Akt der Titelerteilung, ist offensichtlich, dass die
ABH in beiden Fällen (§§ 23 und 25) jeweils nur andernorts inhaltlich vollständig vorgefasste Maßgaben zum weiteren Verbleib des Ausländers in eine spezifisch aufenthaltsrechtliche Form gießt. Bei einer "engmaschigen" Betrachtungsweise bezweckt die
ABH aber jeweils verschiedenes:
- Erteilt sie nach § 23 Abs. 1, setzt sie eine auf politischer Ebene getroffene (oberste Landesbehörde; BMI) getroffene Maßgabe um, die für sie verbindlich ist.
- Erteilt sie nach § 25 Abs. 1, 2, setzt sie die Verbindlichkeit einer flüchtlingsrechtlichen Entscheidung des
BAMF (vgl. § 6 Abs. 1 AsylVfG) um.
Zwar hat die
ABH weder im einen noch im anderen Fall einen eigenständigen Entscheidungsspielraum auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenebene hinsichtlich der besonderen Erteilungsvoraussetzungen. Die Zweckrichtung ist trotzdem jeweils eine andere, weil die umzusetzenden Entscheidungen von unterschiedlichen Behörden herrühren, die nach unterschiedlichen Rechtsgrundlagen tätig geworden sind. Dass beide Titel im Abschnitt 5 stehen, führt nicht zu einer identischen Zweckrichtung, weil "Gründe" und "Zwecke" nicht dasselbe sind. Im einen Fall geht es um politische Interessen der obersten Landesbehörden bzw. des BMI, im anderen um den Vollzug des humanitären Völkerrechts.
Auch bei einer großzügigeren Orientierung an der Zweckrichtung des Tätigwerdens der im Vorfeld der
ABH tätigen Behörde (oberste Landesbehörde/BMI/BAMF) ergibt sich kein anderes Bild der Lage. Für die diversen Aufnahmeprogramme, die zu Titeln nach § 23 Abs. 1 führen, ist eine konkrete, individuelle Verfolgung, wie sie im Rahmen eines Asylverfahrens geprüft wird, keine Voraussetzung. Die Programme bieten keinen Schutz vor Verfolgung, sondern stellen lediglich eine erleichterte bzw. erweiterte Möglichkeit der Familienzusammenführung vor dem Hintergrund der Kriegshandlungen in Syrien dar. Der Sache nach könnten die Titel jedenfalls für die Landesprogramme auch nach § 36 Abs. 2
AufenthG erteilt werden. Die individuelle Verfolgungssituation wird jedenfalls in keinem Fall geprüft. Primärer Schutzzweck ist die Familieneinheit, die im Herkunftsstaat auf Grund der Kriegssituation nicht in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dagegen kann eine Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung nur auf Grund einer individuellen Verfolgungssituation erfolgen, wie sie für eine
AE nach § 23 gerade nicht geprüft wird. Dass das
BAMF Syrer anscheinend seit einigen Monaten regelmäßig ohne nähere Prüfung des Einzelfalls anerkennt, vermag den Betroffenen m.E. nicht zum Nachteil gereichen. Diese Praxis ist ausschließlich der kapazitären Überforderung geschuldet. Mit ihr ist nicht verbunden, dass nunmehr die die Zivilbevölkerung willkürlich treffenden Kriegsgefahren als solche verfassungs- bzw. völkerrechtlich beachtliche Asyl- oder Fluchtgründe darstellten. Zu einer solchen Wertung fehlte dem
BAMF auch die Befugnis.
Die Auffassung eines Referatsleiters des BMI, die für Länder und Kommunen nicht verbindlich ist, verkennt dagegen m.E., dass zwischen den "Gründen" (= Abschnittsüberschriften des AufenthG) und dem (objektivierten) Zweck eines Aufenthalts ein Unterschied besteht, der auch durch die z.T. fast willkürliche Wahl der Rechtsgrundlage (z.B. § 23 statt § 36 Abs. 2) nicht nivelliert werden kann.
Im Übrigen erlischt die
VE wohl jedenfalls dann, wenn Betroffene wie folgt verfahren: Nach Erteilung der
AE gemäß § 23 reist ein Syrer in der Absicht in einen anderen Dublin-Staat aus, dort Asyl zu beantragen. Es wird keine Wohnung in Deutschland beibehalten. Der Aufenthalt im Bundesgebiet wird aufgegeben, der
AT erlischt gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6. Der Ausländer ist ausgereist, der Verpflichtete enthaftet ("bis zur Beendigung des Aufenthalts"). Die Dublin-VO führt zur Rücküberstellung des Ausländers nach Deutschland, die
VE kann nicht mehr gezogen werden.