schweitzer schrieb am 27.08.2010 um 08:10:55:Mit welcher haltbaren Begründung könnte das Ganze denn überhaupt abgelehnt werden, wenn die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind?
Hallo Schweitzer!
Für mich ist der Fall klar. Sie hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf und beantragt nun
AE nach § 16. Wenn alle Voraussetzungen nach 16 erfüllt sind, kann sie
AE bekommen.
Nun zu deiner Frage:
Es wird von einigen Kollegen (wir hatten eine ähnliche Diskussion auch schon im internen Board) aber auch die Ansicht vertreten, dass nach Einreise mit Visum und danach erteilter
AE ein Zweckwechsel
ohne Ausreise nur dann möglich ist, wenn entweder ein Fall des § 39
AufenthV vorliegt oder eine Ausnahme nach § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG in Betracht kommt.
Bezogen auf deinen Fall:
Frau hatte eine
AE nach § 18, und strebt nun einen Zweckwechsel zu § 16 an. Sie ist derzeit im Besitz einer
FB nach § 81 Abs. 4
AufenthG.
Es könnte hier allenfalls § 39 Nr. 1
AufenthV in Betracht kommen:
"Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er ein nationales Visum (§ 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt."
Es stellt sich demnach die Frage, ob eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4
AufenthG gleichzustellen mit dem
Besitz eines Aufenthaltstitels ist.
Ich meine nein. So siehts auch der Hypertextkommentar zum Aufenthaltsgesetz und u.a. auch der VGH Bayern:
"Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass beim Kläger der Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 1
AufenthG vorliegt. Der Kläger ist als Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Eine Abstufung der Regelausweisung zur Ermessensausweisung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 5
AufenthG hat das Verwaltungsgericht München zu Recht abgelehnt. Denn der Kläger war bei seiner Ausweisung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, sondern nur noch im Besitz einer sog. Fiktionsbescheinigung. Die Fiktionsbescheinigung vermittelt zwar - wie der Klägervertreter zutreffend ausgeführt hat - einen der vorangegangen Aufenthaltserlaubnisse weitgehend gleichen Rechtsstatus. Sie stellt jedoch nicht selbst einen Aufenthaltstitel i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2
AufenthG dar und ist in § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AufenthG nicht erwähnt. Daher hat es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bislang stets abgelehnt, Fiktionsberechtigte den gleichen Ausweisungsschutz wie Erlaubnisinhabern zu gewähren (vgl. BayVGH vom 18.9.2006, 19 CS 06.1733, juris RdNr. 19 m.w.N.).
Eine völlige Gleichstellung der Fiktionsberechtigten und der Erlaubnisinhaber ist auch nicht deswegen geboten, weil der Gesetzgeber beim Erlass des Aufenthaltsgesetzes die Fiktionsregelung des § 81 Abs. 4
AufenthG im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
AuslG neu gefasst und als Fortgeltungsfiktion ausformuliert hat. Damit wollte der Gesetzgeber in erster Linie die Auswirkungen der Erlaubnisfiktion auf den arbeits- und sozialrechtlichen Status der Ausländer, insbesondere für die Frage ihrer Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, klarstellen (BT-Drs. 15/420 S. 96). Eine Änderung der Rechtslage in Bezug auf § 54 Nr. 1
AufenthG war nicht das gesetzgeberische Ziel der Neufassung."
Also § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG:
"Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen."
Anspruch wäre hier nicht gegeben da "Kann-Regelung". Unzumutbarkeit der Ausreise? Gut, dazu hattest du nichts geschrieben, aber ich denke mal eher nicht-oder?
Damit hättest du dann deine Ablehnung.
Wie gesagt aus meiner Sicht kann man in einem Fall wie diesem hier nicht darauf abstellen, dass man quasi, gemessen am jetzigen Aufenthaltszweck, mit dem falschen Visum eingereist ist, da ja zwischenzeitlich eine
AE erteilt wurde.
Eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Thematik gibts aber anscheinend auch nicht. Das VG Stuttgart hat es mal am Rande mit erwähnt, musste darüber aber letztendlich nicht entscheiden:" Offen bleiben kann damit schließlich auch die Frage, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1
AufenthG, wonach für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlich ist, dass der Ausländer „mit dem erforderlichen Visum“ einreiste, auch noch im Falle des so genannten Zweckwechsels (Einreise mit Visum zur Familienzusammenführung - Aufenthaltsverlängerung zur Arbeitsaufnahme) gegeben sind."