Hallo zusammen,
wie bereits mehrfach angemerkt, hat sich die Methode zur Berechnung erlaubter Aufenthalte mit dem abschließenden Inkrafttreten der
VO (EG) 610/2013 geändert.
Nachdem es nun eine verbindliche Weisung der
BPOL gibt, soll diese Methodik hier dargestellt werden.
Nichtsdestotrotz wird die überholte Berechnungsweise im Ausgangspost dieses Threads nicht gelöscht, um Fragen und Anmerkungen wie „Das war doch früher alles anders!?“ mit Verweis auf diesen Thread relativ einfach beantworten zu können.
1. AllgemeinesSeit 18.10.2013 ist die VO (EG) 610/2013 komplett in Kraft getreten.
Geändert wurden hierdurch der Schengener Grenzkodex, das SDÜ, der
Visakodex und die EU- Visa- VO dergestalt, dass in allen Vorschriften die erlaubte Aufenthaltsdauer im Bezugszeitraum vereinheitlicht wurde.
Mit Erlass wurde durch das BMI bestimmt, dass diese Berechnungssystematik entgegen § 1 (2)
AufenthV auch für Kurzaufenthalte aufgrund der Befreiungsregelungen (§§ 18 ff.) der
AufenthV Anwendung findet. Die
AufenthV wird -obwohl erst jüngst geändert- alsbald eine erneute Anpassung erfahren.
2. KurzaufenthaltSeit 18.10.2013 wird der Kurzaufenthalt dahin gehend definiert, dass es sich um einen Aufenthalt von maximal 90 Tagen in einem 180-Tageszeitraum handelt.
Der bisherige Wortlaut „3 Monate in einem Zeitraum von 6 Monaten“ wurde gestrichen; gleiches gilt für die Worte „vom Zeitpunkt der ersten Einreise“. Insoweit ist das Urteil des EuGH vom 03.10.2006 in der Rechtssache C 241/05 (Nicolae Bot) ab sofort bedeutungslos.
3. BezugszeitraumDer Bezugszeitraum wird nicht mehr durch das Datum einer ersten Einreise bestimmt, sondern erstreckt sich ausgehend von jedem einzelnen Tag des Aufenthalts im Schengengebiet auf den zurückliegenden Zeitraum von 180 Tagen. Damit handelt es sich bei einem Bezugszeitraum nicht mehr um ein starres Gebilde von aneinander gereihten 6 Monatzeiträumen, sondern um einen in der Betrachtung als täglicher Rückblick „beweglichen 180- Tageszeitraum“.
4. Wen betrifft’s?- sichtvermerksfreie Drittstaatsangehörige (Adressaten Art. 1 Abs. 2 EU Visa VO, Art. 20 Abs. 1 SDÜ)
- Inhaber von Schengenvisa (Adressaten Art. 1 Abs. 1 EU Visa VO, Art. 19 SDÜ)
- Inhaber schengenwirksamer Aufenthaltstitel und nationaler Visa (Adressaten Art. 21 SDÜ)
Aufenthalte aufgrund eines nationalen
AT oder Visums iSv Art. 21 SDÜ finden keine Berücksichtigung bei dieser Berechnung. Trotzdem ist für visumsfreie Drittstaatsangehörige ein unmittelbar anschließender Kurzaufenthalt ohne Ausreise aus dem Schengengebiet nach wie vor nicht erlaubt.
5. Wie wird gerechnet?Ab sofort wird rückwärts gerechnet… Hierbei wird der zurückliegende Zeitraum von 180 Tagen ausgehend vom aktuellen Aufenthaltstag betrachtet, in dem sich der Drittstaatsangehörige bis zu 90 Tage aufhalten darf.
Beispielhaft… Ist der Aufenthaltstag der 16.03.2014 wird der Zeitraum bis zum 18.09.2013 betrachtet, Tags darauf am 17.03.2014 wird der Zeitraum bis zum 19.09.2013 betrachtet usw. usw. Insofern wandert der Bezugszeitraum mit dem fortschreitenden Aufenthalt mit, quasi als eine Art Maßband von 180 Tagen, dass man hinter sich herzieht. Es dürfen sich dann unter diesem Maßband nie mehr wie 90 Tage befinden.
Dies gilt wie bisher sowohl für den visumfreien Drittstaatsangehörigen als auch für den Visuminhaber, wenn das Visum zu einem Aufenthalt von 90 Tagen pro Bezugszeitraum berechtigt (ansonsten gilt der festgeschriebene Berechtigungsinhalt des erteilten Visums).
6. Ausnahmen von der BerechnungsmethodikDie VO (EG) beeinflusst die älteren Sichtvermerksabkommen nicht, so dass die im Ausgangspost beschriebene Regelungen für diesen Adressatenkreis (§ 16
AufenthV / 3 Monate Aufenthalt statt 90 Tage und keine BZR- Berechnung) unverändert weiter bestehen.
Daddy schrieb am 27.07.2010 um 10:48:53:Die Berechnung des BZR greift nicht bei Staaten, mit denen Deutschland vor dem 01.09.1993 ein Sichtvermerksabkommen geschlossen hat (vgl. § 16
AufenthV iVm der Anlage A; Art 20 Abs. 2 SDÜ).
Theoretisch wäre es möglich sich 3 Monate im Bundesgebiet aufzuhalten, 1 Tag auszureisen und dann wieder 3 Monate in Deutschland zu verbringen.
Hier werden die Grenz- und Ausländerbehörden jedoch regelmäßig prüfen, ob die Kurzzeitklausel zugunsten eines langfristigen Aufenthalts umgangen werden soll und die entsprechenden Maßnahmen (z. B. Zurückweisung in den Herkunftsstaat, Aufenthaltsbeendigung etc.) ergreifen. Die SV- Abkommen stehen aufgrund der "ordre- public- Klauseln" diesen Maßnahmen nicht entgegen.
Eine weitere Ausnahme bilden EU- Staatsangehörige, aber ich denke, darauf muss nicht weiter eingegangen werden.
Weiterhin hat die EU mit Brasilien, Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbuda, St. Kitts und Nevis, Mauritius und den Seychellen Visaerleichterungsabkommen abgeschlossen, welche den Wortlaut "drei Monate innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vom Zeitpunkt der ersten Einreise" beinhalten. Die VO (EU) 610/2013 beeinflusst diese Abkommen nicht. Daraus folgt, dass die neue Berechnungsmethode auf diese Staaten nicht anzuwenden ist, allerdings wird eine Harmonisierung der Berechnungssystematik für alle Drittstaatsangehörigen, welche einen Kurzaufenthalt beabsichtigen, angestrebt.
7. Tag der EinreiseDurch die Aufnahme des Absatzes 1a) in Artikel 5 SGK ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass sowohl der Tag der Einreise als auch Tag der Ausreise in die Aufenthaltsberechnung mit einzubeziehen sind. Hierbei spielt die Uhrzeit der Ein- oder Ausreise keine Rolle, der Tag wird als voller Aufenthaltstag gerechnet.
8. StrafbarkeitImmer wenn die 90 Tage im 180- Tageszeitraum überschritten werden, ist der Aufenthalt strafbar. Sofern der Aufenthalt auffällig lang, ggf. die Einreise bereits unerlaubt war, wird auch über diese 180- Tagesgrenze hinaus nach rückwärts gerechnet um festzustellen, wie lange der unerlaubte Aufenthalt tatsächlich war.
Ausnahmen hiervon siehe Ziff. 6.
Die
BPOL beabsichtigt einen Aufenthaltsrechner auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. Sobald dies erfolgt ist, stehen mit dem von petersburger verlinkten dann zwei Rechner zu Verfügung, die allerdings jeweils das gleiche Ergebnis errechnen dürften.
Ich hoffe jetzt nichts vergessen und alle zu diesem Thema aufkommenden Fragen vorab beantwortet zu haben. Sollte etwas Gravierendes fehlen, dann bitte per PN...
Daddy