Nachdem wir so oft darüber gesprochen haben, hat meine Mutter sich letzte Woche endgültig dazu entschlossen das durchzuziehen. Sie bereitet derzeit alles vor. Sie wird nicht nach England ziehen, sondern nach Österreich. Sie wird nächste Woche die Anerkennung ihres Altenpflegeexamens bei der Wiener Landesregierung beantragen.
In der Zwischenzeit habe ich das österreichische Außenministerium angeschrieben und den Sachverhalt dargestellt. Ich hatte nämlich vorher dort angerufen und es hieß dann, dass meine Mutter eine österreichische Verpflichtungserklärung abgeben müsse - was ich nicht nachvollziehen konnte. Heute erhielt ich folgende Antwort:
Sehr geehrter Herr X,
ob ein Freizügigkeitssachverhalt vorliegt und somit die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger sowie dadurch die Möglichkeit des erleichterten Visa-Antragsverfahrens tatsächlich besteht, ist von der jeweiligen Vertretungsbehörde vorab zu prüfen. Konkret wird geprüft, ob:
· es einen EWR-/Schweizer Bürger gibt, von dem der Antragsteller Rechte ableiten kann,
· es sich bei dem Antragsteller, dessen Identität nachzuweisen ist (Reisepass), um einen Familienangehörigen handelt (Heirats- oder Geburtsurkunde, Beleg für ein Unterhaltsverhältnis, schwerwiegende gesundheitliche Gründe, Dauerhaftigkeit der Partnerschaft usw.) und
· der Antragsteller einen EWR-/Schweizer Bürger begleitet oder ihm nachzieht (zum Beispiel Nachweis, dass der EWR-/Schweizer Bürger bereits im Aufnahmemitgliedstaat wohnhaft ist, oder Bestätigung, dass der EWR-/Schweizer Bürger in den Aufnahmemitgliedstaat reisen wird).
Grundsätzlich ist zur Gewährung des Unterhaltes für den Familienangehörigen zu sagen, dass eine Gewährung tatsächlicher Leistungen an den Familienangehörigen in seinem Aufenthaltsland kein „Aufkommen für den Unterhalt“ verlangt, jedoch müssen unterstützende Leistungen im Ansatz als relevant und regelmäßig angesehen werden können.
Der EuGH stellt des Weiteren in der Rechtssache Jia (EuGH, 09.01.2007, C-1/05, Jia, ECLI:EU:C:2007:1) zum Nachweis des Unterhaltes fest:
Rn 35: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem „Unterhalt gewährt" wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der erforderliche Unterhalt des Familienangehörigen vom Gemeinschaftsangehörigen, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, oder seinem Ehegatten materiell sichergestellt wird (vgl zu Art 10 der Verordnung Nr. 1612/68 und Art. 1 der Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht [ABl. L 180, S. 26] Urteile Lebon, Randnr. 22, und vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, Slg. 2004, I-9925, Randnr. 43).“
Rn 37: „Um zu ermitteln, ob den Verwandten in aufsteigender Linie des Ehegatten eines Gemeinschaftsangehörigen von diesem der erforderliche Unterhalt gewährt wird, muss der Aufnahmemitgliedstaat prüfen, ob sie in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse selbst zu decken. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunftsland dieser Verwandten in dem Zeitpunkt bestehen, in dem sie beantragen, dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen.“
Maßgeblich ist die im Zeitpunkt der Beantragung eines Visums aktuelle Situation. Auch im Bereich des Nachweises des Unterhaltes für Ihre Großmutter seitens Ihrer Mutter. Jeder Antrag auf Erteilung eines Visums sowie jede Feststellung ob eine Eigenschaft des Antragstellers als begünstigter Drittstaatsangehöriger bejaht werden kann, unterliegt einer Einzelfallprüfung seitens der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde bzw. in weiterer Folge der jeweils zuständigen Inlandsbehörde, für Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltskarte.
Für weitere Informationen zum Prüfungs- bzw. Antragsprozedere, wenden Sie sich bitte auch direkt an die für den Iran zuständige Österreichische Botschaft Teheran:
Österreichische Botschaft Teheran
Bahonarstr., Moghaddasi Str.,
Zamani Str., Mirvali, Nr. 6 und 8,
Teheran, Niavaran, 19796-33755
E-Mail: teheran-ob@bmeia.gv.at
Web:
www.bmeia.gv.at/teheran Mit freundlichen Grüßen
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Sektion IV | Service
Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres
Interessant ist, dass Randnummer 36 der Jia-Entscheidung nicht zitiert wird, die wie folgt lautet:
36 Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, keinen Unterhaltsanspruch voraussetzt, da sie sonst von den nationalen Rechtsvorschriften abhinge, die von einem Staat zum anderen unterschiedlich sind (Urteil Lebon, Randnr. 21). Nach Ansicht des Gerichtshofs ist es nicht erforderlich, die Gründe des Unterhaltsbedarfs zu ermitteln und zu prüfen, ob der Betroffene in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit zu bestreiten. Diese Auslegung ist durch den Grundsatz geboten, dass die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört, weit auszulegen sind (Urteil Lebon, Randnrn. 22 und 23).
Aber ich denke, dass sollte auch für nötige Rechtssicherheit bei der Planung meiner Mutter sorgen.