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Sozialleistungsbezug nach Einreise bei Ehegatten-/Sorgeberechtigtennachzug (Gelesen: 64.377 mal)
schweitzer
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Beziehung zum Thema Ausländerrecht: Ehegatte von ehem. Ausländer/in
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19.05.2011 um 07:11:35
 
Zu der in den letzten Wochen und Monaten immer wiederkehrenden Frage hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und tatsächlichen Möglichkeiten  des Sozialleistungsbezugs insbesondere für neu eingereiste ausländische Ehegatten von Deutschen bzw. ausländischen Personensorgeberechtigten von deutschen Kindern hier eine zusammenfassende Darstellung:

Es ist so, dass nach § 7  (1) Satz 2 SGB II für neu eingereiste Ausländer (im Speziellen ausländische Ehegatten von Deutschen bzw. ausländische Personensorgeberechtigte über deutsche Kinder) tatsächlich die ersten 3 Monate ab EINREISE (nicht ab Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, Antragstellung usw.!) kein ALG II beansprucht werden kann. Maßgeblich wäre also im schlimmsten Fall, hier das Einreisedatum  - ggf durch eidesstattliche Versicherung, Tickets usw. - nachzuweisen.

Für den 3-Monatszeitraum kann aber vom ausländischen Partner/Sorgeberechtigten bei nachgewiesenem Bedarf Sozialhilfe nach dem 3. Kapitel SGB XII beansprucht werden Die Höhe beider Leistungen ist betragsmäßig identisch. Der Antrag dürfte, wenn er bei der ARGE und nicht beim Sozialamt gestellt wird oder gestellt worden ist allerdings von der ARGE nicht einfach abgelehnt werden, sondern müsste - für den Dreimonatszeitraum - ggf. an das zuständige Sozialamt weitergeleitet werden siehe: § 16 Abs. 1 SGB I. Beim Sozialamt gilt der Antrag gemäß  § 16 Abs. 1 SGB I an dem Tag als gestellt, an dem er bei der ARGE eingegangen ist.

Ist der 3-Monatszeitraum vorbei, bekommt der ausländische Ehegatte/Sorgeberechtigte bei nachgewiesenem Bedarf ALG II!!!

Ausdrücklich zu betonen ist gegenüber dem Sozialamt ggf., dass es um Leistungen der Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) geht. - Und da § 7 (1) Satz 2 SGB II für neu eingereiste Ausländer einen Leistungsausschluss für die ersten drei Monate bestimmt, bleiben diesen bei nachgewiesenem Bedarf nur die Leistungen der Sozialhilfe, für die sie gemäß § 19 (1) Satz 1 SGB XII leistungsberechtigt wären.

Diverse Sozialämter argumentieren mittlerweile allerdings, dass gemäß  §21 SGB XII die Gewährung Hilfe zum Lebensunterhalt für die genannte Fallkonstellation  ausscheide, da dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe und unterlegen das mit dieser Aussage:

"Dem Grunde nach einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGBII haben auch Ausländer, die dem Leistungsausschluss nach §7 Abs. 1 Satz 2 SGBII unterfallen. Auch sie erhalten gemäß §21 SGBXII keine Leistungen für den Lebensunterhalt. (...)"

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Immerhin haben die Betroffenen ausländischen Ehegatten/Personensorgeberechtigten ausländerrechtlich einen Anspruch auf einen Daueraufenthalt in Deutschland, und zwar grundsätzlich unabhängig davon ob der LU gesichert ist oder nicht.

Dieser Anspruch leitet sich letztlich aus verfassungsmäßigen Erwägungen (Schutz von Ehe und Familie) her.

Diejenigen, die, sich auf diesen Anspruch berufend bzw. diesen Anspruch realisierend, nach Deutschland einreisen, tun dies nicht, um Sozialleistungen zu beziehen, sondern um eine nach dem GG geschützte Ehe zu führen bzw. Familie zu gründen. Ihnen wurde von staatlichen Organen deshalb die Einreise ausdrücklich erlaubt.

Von seriöser juristischer Seite wurde mir, ganz diesen Gedanken entsprechend, folgendes für die eigene Beratungstätigkeit empfohlen:

"Den Betroffenen ist zum Widerspruch und zur Klage zu raten. Auf keinen Fall sollte man Ablehnungsbescheide bestandskräftig werden lassen.

Wir argumentieren insofern jedenfalls mit § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (" Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist."). Das Ermessen kann bei fehlenden anderweitigen Mitteln für Ernährung, Wohnung und Gesundheit unmöglich negativ ausfallen."

Ob, wann und inwieweit Betroffene den Rechtsweg tatsächlich beschreiten wollen, ist und bleibt natürlich immer die Entscheidung jedes Einzelnen.


=schweitzer=

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Antwort #1 - 25.07.2011 um 15:50:41
 
Hallo.
Eine Klage ist auf jeden Fall anzustreben.
Wir haben unsere gerade vor dem Sozialgericht gewonnen und die Arge ist ab Antragstellung verpflichtet worden zu zahlen.
Der 3 Monats Zeitraum greift bei FZF zu einem deutschen Partner nicht und würde eine unzumutbare Hürde darstellen.
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Antwort #2 - 25.07.2011 um 20:15:34
 
wernaa schrieb am 25.07.2011 um 15:50:41:
Wir haben unsere gerade vor dem Sozialgericht gewonnen und die Arge ist ab Antragstellung verpflichtet worden zu zahlen.


Ist das Urteil bereits rechtskräftig? Wenn nein, wäre eine Information über den weiteren Verlauf nett, da dies sicher viele Teilnehmer an diesem Forum betrifft.
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wernaa
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Beziehung zum Thema Ausländerrecht: Ich oute mich später
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Antwort #3 - 26.07.2011 um 18:37:51
 
Ja, das Urteil ist Rechtskräftig.

Mit ausschlaggebend war, das die erwerbstätigkeit laut Visa erlaubt war.
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gc
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Beziehung zum Thema Ausländerrecht: Flüchtlingshilfe
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Antwort #4 - 31.07.2011 um 19:43:45
 
§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB II schließt bestimmte Ausländergruppen trotz Erwerbsfähigkeit bereits "dem Grunde nach" vom SGB II aus, sei es weil sie zum unter das AsylbLG fallenden Personenkreis zählen, sei es weil sie sich in den ersten 3 Monaten hier aufhalten. Damit sind sie aber von vornherein auch "dem Grunde nach" bereits rausgefallen aus dem SGB II, ebenso wie z.B. ein erwerbsunfähiger Deutscher schon dem Grunde nach da raus ist.

Folglich bleibt nur das SGB XII, das einen derartigen Ausschluss für die ersten 3 Moante gerade nicht enthält, vgl. § 23 SGB XII. Stünde der auch dort, wäre das auch wohl verfassungswidrig, ebenso wie es die hier berichtete Auffassung mancher Sozialämter ist, die einen Ausschluss von jeglichen Huilfen behaupten. Vgl. zum in diesem Zusammenhang immer wieder angeführten § 5 SGB II und § 21 SGB XII auch LSG NRW  L 20 B 73/06 SO ER, B.v. 04.09.06 www.sozialgerichtsbarkeit.de sowie LSG NRW L 9 B 80/07 AS ER, B.v. 27.06.07, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2113.pdf

Hingegen tendiert die neuere Rspr dazu, das der Ausschluss von Ausländern vom ALG II für die ersten 3 Monate des Aufenthaltes gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB I - nicht zuletzt im Hinblick auf den Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG - auf als Ehepartner zu Deutschen nachgezogene Drittstaater gar nicht  anwendbar ist, da er sich nach Sinn und Zweck der Regelung (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs 16/5065, S. 234) nicht allgemein auf Ausländer sondern nur auf Unionsbürger bezieht, die sich in den ersten 3 Monaten (quasi als "Touristen") ohne jeden weiten Aufenthaltsgrund hier legal aufhalten, so LSG NRW L 12 AS 314/11 B ER, B.v. 09.05.11, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2353.pdf, ebenso LSG NRW L 19 B 363/09 AS, B.v. 07.12.09 und SG Nürnberg S 20 AS 906/09, U.v. 28.08.09; a.A. LSG BW B.v. 27.4.2011, L 3 AS 1411/11 ER-B.

Der Sozialhilfeantrag gilt gemäß § 16 SGB I und § 28 SGB X zu dem Zeitpunkt als gestellt, an dem Alg 2 beantragt wurde. Liegt wie hier ein Zuständigkeitsstreit vor, weil auch das Sozialamt ablehnt, muss auf Antrag das Jobcenter als zuerst angegangener Träger vorläufig leisten, § 43 Abs. 1 SGB I. Erstattungsansprüche können dann später behördenintern geklärt werden, § 102 SGB X. Beim Sozialgericht sollte die Beiladung des Sozialhilfeträgers beantragt werden, § 75 SGG.

Zu beachten sind die sozialhilferechtlichen Ausschlüsse für Ausländer in § 23 Abs. 3 SGB XII. Eine "Einreise zum Zweck des Sozialhilfebezugs" liegt aber beim Ehegattennachzug nicht vor (und auch kein Aufenthaltsrect allein aus Gründen der Arbeitsuche), Motiv ist ja nicht die angeblich erhoffte Sozialhilfe sondern die bereits vorhandene Liebe Zwinkernd Selbst in Fällen eines der genannten Ausschlussgründe müsste jedoch in verfassungskonformer Auslegung die Gewährung von Sozialhilfe als Ermessensleistung geprüft werden, § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII.




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shpresa
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Antwort #5 - 09.09.2011 um 09:18:05
 
wir wurden überall "abgeschmettert". mein mann hat für den zeitraum bis zur AE erteilung kein ALG2 erhalten. waren beim sozialamt, jobcenter, beratungsstelle ... überall hiess es, das er keinen leistungsanspruch hat.
mir wurde im gegensatz noch der mietanteil von ihm gekürzt. es war schon hart von keinen 200 euro im monat 3 personen zu unterhalten.
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grisu1000
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Antwort #6 - 09.09.2011 um 14:41:06
 
shpresa schrieb am 09.09.2011 um 09:18:05:
wir wurden überall "abgeschmettert". mein mann hat für den zeitraum bis zur AE erteilung kein ALG2 erhalten. waren beim sozialamt, jobcenter, beratungsstelle ...


Hast du schriftlich Anträge gestellt, oder dich bereits mündlich abschmettern lassen. Hier gilt wie immer das Prinzip der Schriftlichkeit. Hast du eine schriftliche Ablehnung auf einen schriftlichen Antrag, oder wird der schriftliche Antrag nicht bearbeitet kannst du zum Sozialgericht gehen.

In der Rechtsantragstelle hilft man dir dann bei der Formulierung eines Antrages zur Niederschrift. Die Beraten auch wie man solch einen Antrag oder Eilantrag stellt, natürlich in schriftlicher Form.
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shpresa
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Antwort #7 - 09.09.2011 um 16:33:09
 
mittlerweile ist es ja gsd ausgestanden.  Zwinkernd

direkt schriftlich wohl nicht. ich habe eben "nur" meinen mann in die bedarfsgemeinschaft angemeldet. dann kam immer die aufforderung, er solle sein gültigen aufenthalt vorlegen. wir hatten aber nur dieses visum zur FZF. das taten die als ungültig ab. wir waren fast zweitägig beim jobcenter, das fast 6 wochen lang. ständig einspruch erheben brachte nichst, immer wieder nur, das die den gültigen aufenthalt sehen wollten, eigentlich auch keine direkte ablehnung, aber immer es könnte nicht weiter bearbeitet werden, weil der aufenthaltstitel fehlen würde. sind dann zum sozialamt, da wars fast noch schlimmer und erniedrigender als beim jobcenter. meine güte wurden wir rund gemacht, weil wir nur dazu ne frage hatten bzw hätten beantragen wollen  Augenrollen.

auch bei der migrationsstelle in der ABH sagte man uns, das er keinen anspruch auf leistungen hat, aber in dem moment hatte er ja seinen AT und dann gings auch recht schnell mit der bearbeitung.
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Antwort #8 - 25.06.2012 um 22:06:06
 
schweitzer schrieb am 19.05.2011 um 07:11:35:
Immerhin haben die Betroffenen ausländischen Ehegatten/Personensorgeberechtigten ausländerrechtlich einen Anspruch auf einen Daueraufenthalt in Deutschland, und zwar grundsätzlich unabhängig davon ob der LU gesichert ist oder nicht.

=schweitzer=



Bitte:

Koennte man den Anspruch - aus auslaenderrechtlicher Sicht -zum  Daueraufenthaltsrecht, naeher erlaeutern ?

Danke
Frank
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Muleta
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Antwort #9 - 25.06.2012 um 22:16:16
 
Goerlitz schrieb am 25.06.2012 um 22:06:06:
Koennte man den Anspruch - aus auslaenderrechtlicher Sicht -zum  Daueraufenthaltsrecht, naeher erlaeutern ?


§ 28 Abs. 2 S. 2 AufenthG. Insofern kein "Daueraufenthalts"-Status, aber ein Anspruch auf immer neue Verlängerung der AE.
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Antwort #10 - 09.07.2012 um 09:49:17
 
Gibt es schon ein Urteil darüber, dass der Ehegatte die Sozialhilfe in den ersten 3 Monaten beantragen darf? Wo ist diese zu finden?

Danke im Voraus
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Antwort #11 - 09.07.2012 um 13:09:36
 
Soll man für die ersten 3 monate bei AlG ein Antrag stellen oder beim Sozialamt ??
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Antwort #12 - 09.07.2012 um 13:26:29
 
supersunshine schrieb am 09.07.2012 um 13:09:36:
Soll man für die ersten 3 monate bei AlG ein Antrag stellen oder beim Sozialamt ??



Mach es einfach genauso wie es im ersten Beitrag oben steht.
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Antwort #13 - 09.07.2012 um 13:34:00
 
Wie ist es eigentlich zu sehen, wenn aufgrund des Familiennachzugs eine größere Wohnung in Betracht kommt? Der andere deutsche Ehegatte ist ja AGII Empfänger, wenn man nun einen Antrag auf eine größere Wohnung beim Jobcenter stellt übernimmt das Sozialamt die anteilige Kosten der Ehegatten dafür in den ersten 3 Monate?
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Antwort #14 - 09.07.2012 um 14:16:21
 
Wenn die Wohnung den Angemessenheitskriterien entspricht, dies vom Jobcenter bestätigt ist, müsste das Sozialamt anteilig die Kosten bis zum Ende des Drei-Monatszeitraums übernehmen.


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