Fortsetzung:Seit fünf Wochen engagieren sich hunderte Südharzer für die Rückkehr der abgeschobenen Familie Tuan aus Bleicherode. Unzählige Briefe, Petitionen, Anfragen wurden zu Papier gebracht. Und doch: Es gibt mehr Fragen als Antworten. Deshalb bat die Bürgerinitiative "Rückkehr" am Donnerstagabend zur Diskussionsrunde nach Bleicherode.
Im Publikum flossen immer wieder Tränen, als Kinder von ihren Gefühlen berichteten und einen Brief an Don, den zwölfjährigen Sohn der vietnamesischen Familie, vorlasen.
"Wenn sie nur wieder hier wären. Ich halte das nicht mehr lange aus", meinte Elke Klahr, die Nachbarin der Tuans. Die drei Kinder der Familie sind ihr ans Herz gewachsen. Beinahe täglich waren sie bei ihr, und auch der Kontakt zu den Eltern war sehr eng.
Die Südharzer engagieren sich nicht nur aus persönlicher Betroffenheit für die Rückkehr der Vietnamesen, machte Andreas Weigel von der Bürgerinitiative klar. Es gehe auch darum, dass Menschenrechte verletzt wurden. Angesichts dessen die Rechtmäßigkeit der Ausweisung zu verstehen, sei sehr schwer. Gerade Kindern könne man kaum vermitteln, warum die Behörden so und nicht anders gehandelt haben.
Die Europa-Abgeordnete Margot Keßler berichtete von ihren Erfahrungen, kompetente Ansprechpartner zu finden. Das sei gar nicht so leicht, weil das Ausländerrecht in Deutschland auf Bundes-, Landes- und Kreis- ebene angesiedelt sei. Bis heute könne sie nicht nachvollziehen, welche Behörde für welche Entscheidung zuständig ist. Mut habe sie aber bei Gesprächen mit etlichen Ausländervertretern geschöpft. Denn die meisten meinten, die Tuans hätten wegen der minderjährigen, in Deutschland voll integrierten Kinder nicht abgeschoben werden dürfen. Eigentlich hätte eine von der Innenministerkonferenz beschlos- sene Härtefallregelung zur Anwendung kommen müssen.
Pfarrer Peter Kube, der dutzende Ausländer seelsorgerisch betreut und schon zahlreiche Abschiebungen miterlebt hat, machte auf einen Zwiespalt aufmerksam. Die Kinder fühlen sich zwar als Deutsche, seien aber auf Grund der geltenden Rechtslage keine Staatsbürger. Auch Kube meinte, dass das Rechtsgefüge der Bundesregierung eine Lösung im Sinne der Familie zugelassen hätte - trotz Vorstrafe des Vaters. Das bestritt Vize-Landrat Matthias Jendricke. Die Behörden hätten im Fall Tuan keinen Handlungsspielraum mehr gehabt. Die Familie wusste, dass die Ausreise bevorstand, und hätte die drei Kinder darauf vorbereiten müssen.
Das brachte ihm Kritik ein. Es sei doch nur natürlich, dass Eltern Sorgen von ihren Kindern fernhalten, meinten mehrere Gäste im Publikum. Landrat Joachim Claus versicherte: "Wenn es auf unserem rechtsstaatlichen Boden eine Möglichkeit gibt, werden wir der Familie helfen."
In den nächsten Tagen wird Margot Keßler nach Vietnam fliegen. Sie braucht eine Vollmacht der Tuans, damit in Deutschland weitere Schritte eingeleitet werden können. Im Gepäck hat sie nicht nur Briefe, sondern auch Schulsachen und Geburtstagsgeschenke für Jule. Unterdessen gehen die Aktionen in Bleicherode weiter. Die Bürgerinitiative wird ihre Mahnwache dienstags um 18.30 Uhr fortsetzen. Auch sollen weitere Spenden zusammengetragen werden. Darüber hinaus sucht die Bürgerinitiative Paten, die die Kinder im Fall der Rückkehr finanziell unterstützen würden. Wie hoch der monatlich zu zahlende Spendenbetrag ist, bleibt jedem Helfer selbst überlassen.
Quelle:
http://www.thueringer-allgemeine.de