Die entscheidende Vorschrift im deutschen Recht ist § 2 Abs. 3 FreizügG/EU. "Erwerbsminderung" in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist dabei richtlinienkonform als "Arbeitsunfähigkeit" zu lesen.
Zitat:Behält der Schwede sein Recht auf Freizügigkeit über den 31.12.2009 hinaus (a) wenn er dann wieder gesund ist;
Das Freizügigkeitsrecht besteht über den 31.12.2009 hinaus für sechs Monate, wenn die Agentur für Arbeit bestätigt, dass die Arbeitslosigkeit unfreiwillig war und er sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt. Er ist dann für sechs weitere Monate - trotz Arbeitslosigkeit - als "Erwerbstätiger" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 FreizügG/EU) freizügig. Nach Ablauf der sechs Monate ist er als Arbeit suchender freizügig, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 FreizügG/EU). Eine Feststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU darf in diesem Zeitraum wegen des Leistungsbezugs nicht getroffen werden, weil insbesondere der Leistungsbezug in diesem Zeitraum gerade hingenommen wird. Nach Ablauf der sechs Monate ist eine Feststellung an strenge Voraussetzungen geknüpft und eher unwahrscheinlich.
schweitzer schrieb am 28.09.2009 um 15:09:02:wenn er weiterhin erwerbsunfähig krank geschrieben ist
Solange die Arbeitsunfähigkeit nur
vorübergehend ist, bleibt er gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU als Arbeitnehmer freizügig, obwohl das Beschäftigungsverhältnis beendet ist. In der neuen
VwV heißt es hierzu (Ziff. 2.3.1.1):
Sie [die Arbeitsunfähigkeit] ist dann als vorübergehend anzusehen, wenn aufgrund einer ärztlichen Prognose mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, ggf. auch eingeschränkt, gerechnet werden kann. Zweifel an der Wiederherstellung begründen den Wegfall des Rechts nicht.Handelt es sich dagegen um eine
dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, bleibt das Freizügigkeitsrecht in diesen Fällen nicht bestehen. Erst bei voller und dauerhafter Arbeitsunfähigkeit nach zwei Jahren Erwerbstätigkeit besteht das Freizügigkeitsrecht weiter (und dann auch gleich als Daueraufenthaltsrecht: § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b).
schweitzer schrieb am 28.09.2009 um 15:09:02: Bedeutet das, er könnte ALG II bekommen - im Zweifel bis zu 6 Monate nach dem 31.12.2009?
Wenn er am 01.01. wieder gesund ist, ist er sechs Monate lang ALG II-berechtigt. Da er in diesem Zeitraum als Arbeitnehmer freizügig ist, steht der - nach EuGH Vatsouris ohnehin obsolete - Leistungausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger nicht entgegen. Nach dem Ablauf der sechs Monate ist er als Arbeit suchender freizügig. Soweit das Job-Center dann der Auffassung wäre, dass er wegen bloßer Arbeitsuchenden-Eigenschaft aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nach
SGB II herausfällt, wäre auf EuGH Vatsouris hinzuweisen.
Wenn er am 01.01. nicht wieder gesund ist und nach ärztlichem Dafürhalten mit einer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit wenigstens im Umfang von 3 h / Woche auch binnen der nächsten sechs Monate sicher nicht gerechnet werden kann, fällt er wegen fehlender Erwerbsfähigkeit aus dem Kreis der SGB II-Anspruchsberechtigten heraus, § 8 Abs. 1
SGB II. Er hat Anspruch auf Leistungen nach dem
SGB XII. Wenn die zuständige Behörde durch Bescheid feststellt, dass er nicht mehr freizügigkeitsberechtigt ist (§ 5 Abs. 5 FreizügG/EU), könnte der SGB XII-Träger sich auf den Standpunkt stellen, dass er nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylBlG nurmehr Asylbewerberleistungen beanspruchen kann. Dazu muss allerdings die durch § 7 Abs. 1 FreizügG/EU grundsätzlich eintretende Ausreisepflicht
vollziehbar sein. Dies ist - da § 58
AufenthG nicht gilt - nur dann der Fall, wenn dies gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet wird. Siehe ausführlich Ziff. 7.1.1.2 der neuen VwV-FreizügG/EU. Wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, lebt der SGB XII-Anspruch wieder auf.
schweitzer schrieb am 29.09.2009 um 10:05:21:Zitat:
Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen.
Was bedeutet das konkret - wo ist die Grenze für "unangemessene Inanspruchname" von Sozialhilfeleistungen mit Blick auf den von mir vorgestellten Fall?
Artikel 6 RL 2004/38/EG bezieht sich lediglich auf das bedingungslose Aufenthaltsrecht während der ersten drei Monate nach der Einreise.
schweitzer schrieb am 29.09.2009 um 10:05:21:Wann bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft länger erhalten ? - Das "mindestens" suggeriert ja, dass die 6 Monate durchaus nicht als starre Grenze zu sehen sind.-
Wenn er wieder erwerbstätig wird, dann bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft "nahtlos" auch über sechs Monate erhalten (wichtig für die Berechnung bspw. der Fristen für das Daueraufenthaltsrechts).