Liebe Forumgemeinde -
ich befinde mich in einer ziemlich miesen Verfassung, weil ich nicht mehr weiß, was richtig ist, und das obwohl ich schon so lange Migranten berate - Folgendes Problem:
Junge Frau aus der Türkei, welche sozialversicherungspflichtig arbeitet (Nettolohn ca. 920,- €) mit Kleinstkind möchte ihren Ehemann per
FZF nach Deutschland holen. Das Kind ist ihr gemeinsames, hier in Deutschland geboren, Vaterschaft steht fest, gemeinsames Sorgerecht existiert. - Dem Ehemann ist nun das FZF-Visum nicht gegeben worden, weil der Lebensunterhalt in D nicht hinreichend gesichert wäre. Soweit so gut.
Die junge Frau war nun bei der
ABH und auch bei mir, um sich zu erkundigen, was denn als ausreichende Lebensunterhaltssicherung anzusehen wäre.
Ich bin dabei von folgender
IMHO zum Erhalt einer Richtgröße allgemein anerkannter "Faustformel" ausgegangen:
3 X ALG II - Regelsatz = 311 + 311 + 207 + Warmmiete (350) = 1179,- €
(Extra Berücksichtigung der Krankenversicherung ist nicht erforderlich, da Familienversicherung für Mann und Kind möglich sind)
Da die Frau neben ihrem Einkommen 920 € noch 154 € Kindergeld bekommt, ist zur Zeit nur ein Einkommen in Höhe von 1074,- € vorhanden - fehlen also tatsächlich 103,- €. Ihr Arbeitgeber hat ihr allerdings signalisert, ihr eine Lohnerhöhung gewähren zu wollen, da sie nach erfolgreicher Einarbeitung und Probezeit einen guten Job macht. Diese Lohnerhöhung würde aller Voraussicht nach diese 103,- € und vielleicht ein klein wenig mehr ausmachen.
Ich habe ihr nun erklärt, dass sie mit dem neuen Lohn gute Chancen hätte, eine ausreichende Lebensunterhaltssicherung für ihre Familie nachzuweisen - da sie bei der geschilderten Konstellation für sich und ihre Familie jedenfalls keine ALG II - Leistungen erhalten würde.
Daraufhin war sie bei der
ABH, wo ihr jedoch gesagt wurde, auch unter der neuen Konstellation würde der Lebensunterhalt als nicht ausreichend gesichert angesehen werden können. Man habe Rücksprache mit der ARGE genommen - danach seien verschiedene Freibeträge zu berücksichtigen, was bedeuten würde, sie müsste ein noch höheres Einkommen nachweisen als das, was sie nach der Lohnerhöhung dann hätte.
Genaue Zahlenangaben wurden nicht gemacht (dies wird auch grundsätzlich abgelehnt, was ich in gewisser Weise verstehe, da es ja immer um Einzelfallprüfung geht), auch auf meine Nachfrage hin nicht. Damit steht die Frau nun ziemlich "im Regen", weil sie eben auch für ihren Einzelfall nicht weiß, wieviel Einkommen sie nachweisen müsste.
Nun habe ich ein schlechtes Gewissen, die Frau falsch informiert zu haben. Andererseits kann ich die Argumentation der
ABH, so sie sich denn überhaupt erschließt, nicht wirklich nachvollziehen. Was sind das für Freibeträge - welche Bedeutung haben sie? Wie gesagt, die Familie hätte bei der geschilderten Konstellation (Freibeträge hin oder her)
keinen Anspruch auf ALG II !!! Die Frau hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag - Wieso sind das nicht Kriterien genug, um die Sicherung des Lebensunterhalts hinreichend nachzuweisen?
Die Frau möchte natürlich auf jeden Fall vermeiden, dass erneut ein FZF-Visum abgelehnt wird - was kann sie tun? Und was kann
ich tun - ich bin mit der Art der Beratung, wie ich sie in diesem Falle gemacht habe, bis jetzt immer gut gefahren - jedenfalls gab es nie gegenteilige Rückmeldungen. Und was ist nun?
=schweitzer=