Beppo schrieb am 11.08.2009 um 17:20:39:Ein Sichtvermerksabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Sofern sich aus diesem Vertrag kein "self-executing-Recht" ergibt, ist der Vertrag in nationales Recht umzusetzen.
beppo, hier bringst Du m.E. zwei unterschiedliche Probleme durcheinander. Die Frage, ob eine Vertragsklausel "self-executing" ist, stellt sich erst, wenn der Vertrag Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung ist. Genau dies ist hier aber fraglich. Ist diese Frage zu bejahen, ist - in einem zweiten Schritt - danach zu fragen, ob die Norm ihrem Inhalt nach "self-executing" ist, d.h. hinreichend bestimmt und ihrem Zweck nach darauf ausgerichtet ist, unmittelbar zu wirken, oder ob sie einer weiteren Konkretisierung in der nationalen Rechtsordnung bedarf.
Die zitierte Ziff. 1 des Sichtvermerksabkommens ist hinreichend bestimmt, insbesondere bzgl. Adressatenkreis und Rechtsfolge.
Es ist aber fraglich, ob sie Bestandteil der deutschen Rechtsordnung ist. Wann ein völkerrechtlicher Vertrag Bestandteil der deutschen Rechtsordnung ist, ergibt sich aus Art. 59 Abs. 2
GG. Danach ist bei Verträgen, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften (d.h. Bundestag und ggfs. Bundesrat) in Form eines Bundesgesetzes (so genanntes "Zustimmungsgesetz") erforderlich, Art. 59 Abs. 2 Satz 1
GG. Demgegenüber gelten "für Verwaltungsabkommen [...] die Vorschriften über die Bundesverwaltung [also die Artt. 83 ff. GG] entsprechend", Art. 59 Abs. 2 Satz 2
GG. Diese entsprechende Geltung der Vorschriften über die Bundesverwaltung bedeutet, dass es einer Transformation durch formelles Bundesgesetz im Fall von "Verwaltungsabkommen" jedenfalls nicht bedarf.
Damit stellt sich die Frage nach der Abgrenzung derjenigen Verträge, die der Transformation durch Gesetz bedürfen von jenen, die als Verwaltungsabkommen einer solchen Transformation nicht bedürfen. Abzugrenzen ist dabei danach, ob der Inhalt des Vertrags, wenn er nur innerstaatlich hätte geregelt werden sollen, in die Form eines Parlamentsgesetzes hätte gegossen werden müssen, oder ob Normen der Exekutive hierzu ausgereicht hätten. Vgl. Maunz/Dürig, Art. 59 Rn. 37.
Da nach § 2 Abs. 3
AuslG 1965 durch Rechtsverordnung die Positivstaaten bestimmt werden konnten, dürfte eine hierauf gerichtete Vereinbarung der Bundesregierung mit einem anderen Staat ein Verwaltungsabkommen iSd Art. 59 Abs. 2 Satz 2
GG gewesen sein. Eines Parlamentsgesetzes bedurfte es zur Transformation daher nicht.
Eine besondere Transformation durch Rechtsverordnung war aber im vorliegenden Fall inhaltlich auch entbehrlich, weil eine entsprechende Regelung bereits seit 1956 innerstaatlich bestand und die Philippinen dann 1965 in die Positivliste zur DV
AuslG aufgenommen worden waren.
Ob das Sichtvermerksabkommen durch die bloße Veröffentlichung im Bundesanzeiger auch innerstaatlich bindend wurde, ist damit freilich noch nicht gesagt. Dies hängt von streitigen und gerichtlich bisher nicht entschiedenen Fragen zu Art. 59 Abs. 2 Satz 2
GG ab.
Jedenfalls spätestens mit der Ersetzung des
AuslG 1965 durch das
AuslG 1990 dürfte das alte Abkommen - außer für Dienstpassinhaber - seine innerstaatliche Anwendbarkeit eingebüßt haben. Völkerrechtliche Vereinbarungen, die nicht im Rang eines Bundesgesetzes stehen und das
AuslG spezialgesetzlich verdrängen, bedurften seitdem der Transformation durch den Verordnungsgeber.
Im Ergebnis meine ich daher, dass die Vorschrift z.Zt. jedenfalls innerstaatlich nicht gilt. Geht man davon aus, dass sie völkerrechtlich noch in Geltung ist - was sehr zweifelhaft ist - , wäre die Bundesrepublik im Verhältnis zu den Philippinen noch an sie gebunden. Dies nützt aber dem Einzelnen nach der jedenfalls herrschenden Lehre nichts, weil dieser sich - jedenfalls außerhalb des Bereichs des humanitären Völkerrechts bzw. grundlegender Menschenrechtsstandards - nicht auf den Grundsatz pacta sunt servanda berufen kann.