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unlucky_hessianIch sehe gerade jetzt deinen Kommentar zum nicht verwerflichen handeln. Ich hatte das auch nicht auf dich gemünzt
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SimonBDie moderne Informationsgesellschaft hat ein Problem: Fehlinformationen. Fehlinformationen werden durch die Medien exponentiell verbreitet. Ursache ist natürlich zum einen Un- und zum anderen Halbwissen. Und zwar auf Seiten des Senders, aber auch des Empfängers. Der Sender der Fehlinformation veröffentlicht sein Halbwissen und die Vermutungen, ohne diese Informationen kritisch zu hinterfragen oder ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Der Empfänger vertraut blind dem, was er gelesen hat, ohne das eigenständig zu prüfen, weil ggf. die Medienkompetenz fehlt oder das naive Vertrauen, dass die Gegenseite ja schon keine Fehlinformationen schreiben würde.
Während Fehlinformationsschleudern nur irgendwas in den Raum werfen brauchen, ohne Belege zu liefern, muss die Gegenseite gefühlt massiv Nachweise liefern, damit man die Fehlinformation entkräften kann. Insofern ist es eine Sisyphusarbeit dem entgegenzuwirken.
Deine Behauptungen sind ultra missverständlich oder gar irreführend.
Bspw. Behauptest du, dass ein hessisches Verwaltungsgericht eine Untätigkeitsklage abweisen würde, wenn man nach drei Monaten klagen würde. Das ist schlicht falsch. Zusätzlich verängstigt du die Personen mit der drohenden Kostenauferlegung durch die Gerichte. Das finde ich mindestens moralisch falsch.
Oder du behauptest, das Gericht würde eine angemessene Frist setzen. Eine angemessene Frist impliziert aber, dass die Behörde in der gesetzten Frist einbürgern müsste. Das macht aus dem Gewaltenteilungsprinzip keinen Sinn.
In § 75 S. 1 VwGO hat der Gesetzgeber bestimmt, dass ein Betroffener eine Klage einreichen kann, bevor es zur Sachentscheidung über den Antrag durch die Behörde gekommen ist. Voraussetzung ist, dass die Entscheidung nicht ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist ergangen ist. Es kann also sein, dass eine angemessene Frist sogar kürzer ist als die berühmten drei Monate.
In § 75 S. 2 VwGO hat der Gesetzgeber bestimmt, dass eine Klage grundsätzlich nach drei Monaten ab Antragstellung zulässig ist. Die Ausnahme ist, wenn im begründeten Fall eine kürzere Frist geboten wäre. Natürlich kann ein Spezialgesetz eine längere oder kürzere Frist bestimmen (welche wir im
StAG nicht haben). Ein Gericht würde gegen den Willen des Gesetzgebers entscheiden, wenn die Klage für einen seit drei Monaten anhängigen Einbürgerungsantrag abgewiesen werden würde.
Der Betroffene muss nicht nachweisen, ob der Antrag derzeit mit Hochdruck bearbeitet wird oder nicht. Wie soll er das auch? Es kommt allein auf die Bescheidung des Antrags an. Natürlich wäre es in gewisser Weise rechtsmissbräuchlich Klage einzureichen, wenn die Behörde einem Bescheid sagt, dass es in einer Woche entschieden wird und man dann trotzdem klagt. Aber das liegt ja meistens ja nicht vor.
In § 75 S. 3 VwGO hat der Gesetzgeber bestimmt, dass das Gericht bei Vorliegen eines zureichenden Grundes für die Untätigkeit eine Frist bestimmen kann. Diese Frist ist aber nicht zu verwechseln mit der angemessenen Frist aus Satz 1. Diese Frist setzt auch nicht die Behörde unter Zeitdruck oder rechtlichem Druck. Denn das würde wieder die Gewaltenteilung verletzen.
Kurz zur Erinnerung: In Deutschland werden Behörden in Klagen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet. Bspw. wird vom Verwaltungsgericht eine Behörde verpflichtet, den Antragsteller/Kläger einzubürgern. Das Gericht kann aber nicht anstelle der Behörde einbürgern. Ein Gericht kann Recht sprechen, aber nicht das Recht ausführen.
Das Paradebeispiel für einen zureichenden Grund wäre die Beteiligung einer anderen Behörde, bspw. Sicherheitsüberprüfung. Dann würde die Behörde sagen: "Hey Gericht, wir würden ja entscheiden, warten aber seit x Wochen selber auf die Rückmeldung und erwarten, dass die Informationen in spätestens 3 Wochen da sind."Und was macht das Gericht? Das Verfahren wird bspw. für 6 Wochen ausgesetzt.
In Hessen hat sich in der Rechtsprechung die Ansicht durchgesetzt, dass Einbürgerungen komplexe Verfahren seien und eine Bearbeitungsdauer von 9 Monaten angemessen wäre. Das hat nichts mit der gesetzlichen Frist aus S. 1 zu tun, wo es sich bei der Drei-Monatsfrist um eine prozessuale Frist handelt.
Klagt man nach drei Monaten seit Einbürgerungsantrag, kann das Gericht die Klage nicht als unzulässig abweisen.
Laut § 75 S. 4 VwGO wird das Hauptverfahren gegenstandslos, wenn in der Sache entschieden und der begehrte Verwaltungsakt erlassen wurde. Also wenn wir beim Beispiel bleiben: Die Behörde kriegt innerhalb von 6 Wochen die Rückmeldung und bürgert ein.
Aber was ist, wenn die vom Gericht bestimmte Frist gerissen wird? Was passiert dann? Das Gericht ist nicht die Aufsichtsbehörde. Sie kann keine Ersatzvornahme durchführen. Wieder: Gewaltenteilung.
Wenn bspw. ein Gericht eine Frist von 8 Wochen zur Stellungnahme gibt, dann muss die Behörde keine Stellungnahme abgeben. Und wenn die 8 Wochen vergangen sind? Dann muss auf die Hauptverhandlung gewartet werden. 2 Jahre wartet man durchschnittlich bis zur Hauptverhandlung.
Im Grunde genommen könnte jede Behörde sich toxisch verhalten und das Gericht ignorieren. Es könnte auch alles rechtlich ausschöpfen und die Verfahren schleifen lassen.
Aber Behörden sind wie Rechtsanwälte zum kollegialen Verhalten verpflichtet. Die Beamten haben ihre Amtspflichten. Einem Gericht antwortet man, auch wenn man nur unhaltbaren Quatsch schreibt. Natürlich lässt man das Gericht nicht dumm dastehen. Morgen braucht die Behörde die Gunst des Gerichtes, und dann will man ja auch kollegiales Verhalten vom Richter.
Wozu dienen dann die Fristen aus § 75 S. 3 VwGO. Muss die Behörde in der Frist entscheiden? Nein. Wenn die Frist verstreicht, dann kann das Gericht eine mündliche Verhandlung ansetzen und entscheiden.