§ 10 Abss. 4, 4a und 6
n.F. lauten
(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.
Für einen Ausländer, der auf Grund eines Abkommens zur Anwerbung und Vermittlung von Arbeitskräften bis zum 30. Juni 1974 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 2. Oktober 1990 oder als Vertragsarbeitnehmer bis zum 13. Juni 1990 in das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet eingereist oder als dessen Ehegatte im zeitlichen Zusammenhang nachgezogen ist, ist es zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 ausreichend, wenn er sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen kann.
(4a) Zur Vermeidung einer Härte kann die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 darauf beschränkt werden, dass sich der Ausländer ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen kann, wenn er nachweist, dass ihm der Erwerb ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache nach Absatz 4 Satz 1 trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nicht möglich ist oder dauerhaft wesentlich erschwert ist.
[...]
(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann. Von der Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 7 wird ferner in den Fällen des Absatzes 4 Satz 3 und des Absatzes 4a abgesehen.
Abs. 6 ist meiner Meinung nach eindeutig. Zumal diese die "alten" Härtefallregeln sind. Jemand der geistig, seelisch oder körperlich behindert ist oder altersbedingt nicht die Sprachkenntnisse nachweisen kann, von dem werden keinerlei Sprachkenntnisse verlangt.
Abs. 4a ist auslegungsbedürftig. Hierzu die Gesetzesbegründung, BT-Drs. Drucksache 20/9044, S. 37 f.
Zu Buchstabe f (Absatz 4a)Durch den neuen Absatz 4a wird eine Härtefallregelung für die im Rahmen der Anspruchseinbürgerung zu erbringenden ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache eingeführt. Zur Vermeidung einer Härte können die Sprachkenntnisse darauf beschränkt werden, dass sich der Ausländer ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Dieses Mindestmaß an mündlichen Kenntnissen der deutschen Sprache ist auch bei der Härtefallregelung erforderlich, damit eine Teilhabe an der demokratischen politischen Willensbildung tatsächlich überhaupt möglich ist.
Ausnahmsweise kann zur Vermeidung einer Härte dieses Mindestmaß an mündlichen Sprachkenntnissen genügen, wenn der Erwerb von Deutschkenntnissen der Stufe
B1 GER trotz ernsthafter und nachhaltiger Bemühungen nicht möglich oder dauerhaft wesentlich erschwert ist. Der Betroffene hat nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anwendung der Vorschrift auf tatsächliche Härtefälle beschränkt bleibt und die Sprachanforderungen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 auch nicht durch bloße Behauptungen umgangen werden können. Der Nachweis der Anmeldung bei verschiedenen Sprachkursen allein genügt nicht. Es ist vielmehr auch nachzuweisen, dass die Sprachkurse tatsächlich besucht worden sind und darzulegen,
dass ernsthafte und nachhaltige Bemühungen zum Erwerb von Deutschkenntnissen der Stufe
B1 GER unternommen worden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Sprachanforderungen kein Selbstzweck; sie sind vielmehr typischerweise Voraussetzung für die Integration in die grundlegenden Bereiche der Bildung, der Beschäftigung und der Teilhabe am politischen Leben und damit für die soziale, politische und gesellschaftliche Integration (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 – 5 C 8/09 , Rn. 30 bei juris). Deshalb muss grundsätzlich zugemutet werden, dass bestehende Defizite (soweit möglich und zumutbar) ausgeräumt werden; dies gilt ausdrücklich auch für Analphabeten. Analphabetismus als solcher ist keine Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 10 Absatz 6
StAG. Ein nicht behebbares Schicksal ist er – auch für erwachsene Menschen – indes ebenfalls nicht (BVerwG, a. a. O., Rn. 20 bei juris). Daher kann auch nicht bei Analphabeten generell angenommen werden, dass ihnen der Erwerb erforderlicher Sprachkenntnisse nicht möglich oder dauerhaft wesentlich erschwert ist.
Durch das Tatbestandsmerkmal „dauerhaft wesentlich erschwert“ wird die Zumutbarkeit im Rahmen der Härtefallregelung ausgestaltet. Es ist im Einzelfall eine Prognose vorzunehmen, dass auch in Zukunft der Erwerb der Sprachkenntnisse über einen langjährigen Zeitraum wesentlich erschwert sein wird. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, die für und gegen den Spracherwerb der Stufe
B1 GER sprechen, in den Blick zu nehmen. Im Rahmen der Prognose ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass je jünger der Einbürgerungsbewerber ist, desto eher von einem zukünftigen Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse ausgegangen werden kann. Insbesondere können Fälle in Betracht kommen, in denen wegen der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Erwerb von Sprachkenntnissen der Stufe
B1 GER dauerhaft unzumutbar ist.