reinhard schrieb am 13.06.2022 um 19:51:18:Wenn sie nach Deutschland reist, um auf der Konferenz aufzutreten, ist das als "erstes Reiseland" Begründung genug, ein deutsches Schengevisum zu beantragen.
So einfach ist es nicht.
Das "erste Reiseland" ist in keinem Fall ein Kriterium, das die Zuständigkeit einer deutschen Auslandsvertretung begründet.
Das übliche Kriterium ist die Dauer des Aufenthalts, bei gleicher Aufenthaltsdauer das erste der Schengen-Länder mit glecher höchster Aufenthaltsdauer.
Für eine Rundreise FIN (2 Übernachtungen) - SWE (3) - DEN (2) - DEU (3) ist dann z.B. nicht das erste Reiseland FIN, sondern SWE, weil erstes von den beiden mit 3 Übernachtungen.
Das Land der ersten Einreise (ggf. nur zur Durchreise ins erste Zielland) begründet nur dann die Zuständigkeit der
AV dieses Landes, wenn die anderen Kriterien nicht greifen.
Jedoch hat die EU-Kommission am 19.03.2010 ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumanträgen beschlossen, wo es zum Thema in Punkt 2 heißt
Zitat:2.1. Beantragung eines einheitlichen Visums für die einmalige Einreise
2.1.1. Wenn nur ein Mitgliedstaat Reiseziel ist, ist das Konsulat dieses Mitgliedstaats für den Visumantrag zuständig.
2.1.2. Falls die Reise Reiseziele in mehr als einem Mitgliedstaat umfasst, ist das Konsulat des Hauptreiseziels zuständig. Das Hauptreiseziel ist der Ort, an dem der Antragsteller die meiste Zeit zu verbringen beabsichtigt oder wohin ihn der Hauptzweck der Reise führt.
Und dann drei Beispiele:
- Beispiel: Ein ägyptischer Staatsangehöriger plant eine Urlaubsreise nach Italien (sieben Tage) und Frankreich (vier Tage) und wird über Griechenland reisen (kein Aufenthalt im Land, nur kurzer Aufenthalt am Flughafen).
In diesem Fall sollte das italienische Konsulat den Antrag bearbeiten, weil Italien hinsichtlich sowohl des Reisezwecks als auch der Dauer des Aufenthalts das Hauptreiseziel ist. - Beispiel: Eine marokkanische Staatsangehörige plant eine Geschäftsreise nach Belgien (zwei Tage) und beschließt, bei der Gelegenheit Verwandte in Frankreich zu besuchen (sechs Tage). Sie reist hin und zurück über Amsterdam (Niederlande).
Der Hauptzweck der Reise ist der Geschäftstermin. Daher sollte das belgische Konsulat den Visumantrag bearbeiten. - Beispiel: Ein marokkanischer Staatsangehöriger möchte zu einer Familienfeier nach Frankreich reisen (vier Tage) und hat bei der Gelegenheit auch ein Treffen mit einem Geschäftspartner in Brüssel vereinbart (zwei Tage). Er reist hin und zurück über Amsterdam (Niederlande).
Der Hauptzweck der Reise ist die Familienfeier. Daher sollte das französische Konsulat den Visumantrag bearbeiten.
Beispiel 2
könnte nach dem Startbeitrag hier zutreffen.
Abschließend steht in dem Handbuch
Zitat:Empfohlene Vorgehensweise für den Fall, dass sich der Hauptzweck des Aufenthalts nicht eindeutig bestimmen lässt: In diesem Fall sollte die Dauer des Aufenthalts ausschlaggebend dafür sein, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Visumantrags und die Entscheidung darüber zuständig ist.
Solange also im konkreten Fall nicht zweifelsfrei klar ist, dass die anschließende Privatreise sekundär ist und ohne die Reise zur Konferenz gar nicht stattfände, sind wir bei der Aufenthaltsdauer als Hauptkriterium.
Es obliegt hierbei der Antragstellerin, entsprechend zu argumentieren und zu belegen.