Bei wörtlicher Auslegung sind wir uns grundsätzlich einig.
Zwei Dinge stehen der wörtlichen Auslegung in der Praxis jedoch entgegen:
1. Das oben Angeführte. Es ist nicht erkennbar, warum einzig und allein das Überschreiten einer Schengen-Außengrenze nun gerade ohne besondere Erlaubnis - ein "normales" Visum - unzulässig sein sollte, nicht jedoch das Überschreiten einer Binnengrenze oder der Aufenthalt.
Immer: ohne erkennbare Begleitung des Unionsbürgers.
2. (nun gerade nicht auf den Ausgangsfall zu beziehen, weil das UK nicht Schengen ...)
Es wird bei getrennten Auslandsreisen nun der Regelfall sein, dass das eine Familienmitglied reist, das andere zuhause bleibt. Wohl meist: Arbeitet. Dann ist die Rückreise ins Schengen-Gebiet wieder ein Fall von "nachzieht" und damit durchaus abgeleitete Freizügigkeit.
Womit Schengen-Grenzbeamte bei Vorlage einer Aufenthaltskarte durch einen Drittstaater bei der Einreisekontrolle zu ermitteln hätten, wo sich der Unionsbürger aufhält und nach dem zweifelsfreien (!) Ergebnis die visumfreie Einreise zu gestatten hätten oder die Einreise verweigern müssten - die ja dann auch noch zum Daueraufenthalt wäre und daher nicht mit Schengen-Visum oder für Positivstaatern visumfrei erfolgen dürfte.
Dass die Freizügigkeitsregeln gerade nicht im Grundsatz wörtlich auszulegen sind, sondern grundsätzlich im Sinne einer ungehinderten, freien Bewegungsmöglichkeit, belegt jedes mir bekannte (! - ich kenne sicherlich nicht jedes) EuGH-Urteil zur Personenfreizügigkeit.
In der hier diskutierten Frage erscheint mir eine wörtliche Auslegung nun besonders problematisch.
Sie bedeutet für einen in Deutschland lebenden EU-Bürger mit Drittstaater-Familienmitglied in letzter Konsequenz: "Lasse Dein Familienmitglied nie allein aus einem Drittland zurückkehren. Fliege immer hin und hole es ab. Anderenfalls benötigt es ein nationales Visum (mit ABH-Beteiligung, wie auch sonst?), um an seinen Wohnort, also zum Daueraufenthalt zurückkehren zu können!"
Das entspräche weder dem Sinn der Ableitung von Freizügigkeit, noch könnte ein
AT für die unbegleitete Rückreise vor der Ausreise beantragt werden (da unterliegt der Drittstaater ja noch nicht dem AufenthG). Von den finanziellen Aufwendungen und möglicher gesundheitsbedingter Unmöglichkeit einer "Abholung" ganz zu schweigen. Kurzreisen des Drittstaaters z.B. in seine Heimat wären aufgrund der Dauer des Visumverfahrens gänzlich undenkbar.
Daher meine Meinung - meine ganz
persönliche -: Die wörtliche Auslegung kann ganz und gar nicht im Sinne der EU-Freizügigkeit sein!
Und danke für den Hinweis:
Zitat:M.E. hätte man sich auch Art. 2 Nr. 16 SGK sparen können, wenn Familienangehörige auch ohne abgeleitete Freizügigkeit alleine mit einer Aufenthaltskarte die Außengrenze passieren könnten.
Art. 2 Nr. 16 SGK setzt Aufenthaltskarten Aufenthaltstiteln gleich
Zitat:16. „Aufenthaltstitel“
a) alle Aufenthaltstitel, die die Mitgliedstaaten nach dem einheitlichen Muster gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates ( 3 ) ausstellen, sowie gemäß der Richtlinie 2004/38/EG ausgestellte Aufenthaltskarten;
Damit sind Drittstaater-Familienmitglieder
- abgeleitet freizügig und unterliegen nicht den Einreisevoraussetzungen des Art. 6 SGK oder
- sie sind für Kurzaufenthalte von der Visumpflicht befreit - Art. 6 Abs. 1:
Zitat:
b) Er muss im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates ( 5 ) vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist.
Für die Einreise zum Daueraufenthalt besitzen sie einen Aufenthaltstitel im Sinne des Art. 2 Nr. 16 SGK.
Deine Aussage ist damit meiner Ansicht nach falsch: Man hätte sich diesen Art. 2 Nr. 16 SGK nur dann sparen können, wenn die von uns gründlich diskutierte Frage auch ohne diese Nr. klar wäre. So schafft sie die Klarheit für die Einreisekontrolle.