Verwaltungsvorschriften (Artikel 85 Abs. 2 GG) sind keine materiellen Gesetze da es ihnen an Außenwirkung fehlt. Sie sind nur für den internen Gebrauch in der Verwaltung bestimmt. D.h. du als Betroffener kannst dich bei der Behörde und insbesondere vor Gericht nicht auf die Verwaltungsvorschrift berufen. Du kannst dies indirekt bei der Ausübung von Ermessens der Behörde dieser entgegenhalten da du quasi nachweisen kannst, dass sich eine gewisse Verwaltungspraxis ausgeprägt hat, Stichwort: Selbstbindung der Verwaltung.
Die Verwaltungsvorschriften müssen auch nicht vollständig sein. Also auf die Vorschrift kannst du nur beschränkt vertrauen. Zumal die
AVWV von 2009 ist und wir ne Menge an Reformen im Aufenthaltsrecht und den damit verbundenen Rechtsbereichen(AufenthV,
BeschV etc.) hatten.
Außerdem sind die Beamten dem Grundgesetz, den Gesetzen und an Recht gebunden. Und da dürfen sie auch nicht blind irgendwelche Vorschriften abarbeiten sondern sind entsprechend juristisch-geschultes Fachpersonal um auch z.B. fehlerhafte Auslegung, Härtefälle u.ä. zu erkennen.
Kanton schrieb am 20.05.2017 um 18:38:27:Dazu habe ich noch eine Frage. Was ist denn ein "formaler Aufenthaltstitel"? Das legt ja nahe, dass es noch "nicht-formale" gibt. Worin unterscheidet er sich?
Was ein Aufenthaltstitel ist, kannst du in § 4 Abs. 1 Satz 2
AufenthG nachlesen.
Personen aus Staaten die im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 oder § 41
AufenthV aufgelistet sind (sogenannte Positivstaatler) brauchen keinen (formalen) Aufenthaltstitel, also in einem Verfahren erteiltes Visum, um sich in Deutschland für einen Kurzaufenthalt aufhalten zu dürfen.
Und bei systematischer Betrachtung:
Wenn du den Abs. 1a des § 95
AufenthG durchliest, dann siehst du dort den Fall geregelt, dass wenn ein Negativstaatler eine Beschäftigung ausübt sich entsprechend strafbar macht auch wenn er den formalen Aufenthaltstitel eines Kurzaufenthaltsvisum hat. Eben weil sich bei Auslegung des § 95 Abs. 1 dieser Fall nicht erfasst wäre kann man darauf schließen dass sich bei dem erforderlichen Aufenthaltstitel um einen beliebigen formalen Aufenthaltstitel handeln muss.