Zitat:Entscheidend ist tatbestandlich das Vorliegen einer Ausnahmesituation. Dazu gehört, dass der Ausländer einen unvorhersehbaren
zwingenden Einreisegrund darlegen muss. Weiter wird zu verlangen sein, das seine Rückreise in den Herkunftsstaat oder seine Durchreise in einen Drittstaat gewährleistet ist. Der Regelfall ist es nämlich, das Visumsverfahren vor den Auslandsvertretungen durchzuführen (§ 72 Abs. 2 und 3 AufenthG).
Liegt ein Ausnahmefall vor, hat die Grenzpolizei das Visumverfahren in gleicher Weise wie die Auslandsvertretung abzuwickeln.In der Rechtsfolge handelt die Grenzpolizei nach pflichtgemäßem Ermessen (“können (…) ausstellen”).
Die Versagung des Ausnahmevisums oder des Passersatzes bedarf grds. weder einer Begründung noch auch nur der Schriftform (§ Der Ausländer ist von der Grenzpolizei allerdings auf die Möglichkeit hinzuweisen, bei der Auslandsvertretung einen Visums- oder Passersatzantrag zu stellen (§ 83 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Gegen eine ablehnende Entscheidung der Auslandsvertretung ist Klage zum Verwaltungsgericht Berlin zulässig.77 Abs. 2 AufenthG). Zudem ist die Versagung von Visum oder Pass an der Grenze gem. § 83 Abs. 1 S. 1
AufenthG unanfechtbar.
Die Unanfechtbarkeit der Versagung ist aber verfassungswidrig.
BeckOK AuslR/Dollinger
AufenthG § 14 Rn. 17-21
Zitat:Die wichtigsten Regelungen für die Erteilung von Ausnahmevisa an der Grenze enthält jedoch die Verordnung (EG) Nr. 415/2003 über die Visa-Erteilung an der Grenze.
(<--- hier aber nur für Schengenvisa, nicht nationale Visa)
Im Praxis-Regelfall geht es um die Erteilung von Visa für kurzfristige Aufenthalte, sodass die Schengen-Regelungen einschlägig sind. Nur in seltenen Fällen wird um die Erteilung eines nationalen Visums (§ 6 Abs. 4
AufenthG, = Visum Typ D) für Einreisen zum Zweck eines Aufenthalts von länger als drei Monaten nachgesucht.
Die Erteilung von nationalen Visa richtet sich bislang noch nach nationalem Recht (vgl. Art. 18 SDÜ).
Zitat:c) Nationale Ausnahmevisa.
49Für die Erteilung eines nationalen Ausnahmevisums (Typ D) gelten grds. die gleichen Voraussetzungen wie für die Erteilung eines nationalen Visums durch die Auslandsvertretung.
50
Es muss zusätzlich jedoch eine Ausnahmesituation vorliegen. Die Erteilung steht im
Ermessen der Grenzpolizei. Rechtsansprüche auf einen Aufenthaltstitel (u. a. Ehegatten und Familiennachzug §§ 27 ff. AufenthG) sind hier lediglich im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen.
Die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe gem. § 5 AufenthG sind zu beachten, ebenso das Zustimmungserfordernis der Ausländerbehörde nach Maßgabe der §§ 31 ff. AufenthV. Nicht einschlägig hingegen ist Art. 5 Abs. 1 SGK.
51Auch das Ausnahmevisum ist ein Aufenthaltstitel. Das Erfordernis, einen Aufenthaltstitel vor der Einreise als Visum einzuholen, wird mit einem Ausnahmevisum gleichermaßen wie mit einem „gewöhnlichen“ Visum erfüllt (a. A. VG Frankfurt/M. Beschl. v. 26. 3. 1999 – 1 G 402/99 [2]). Das
AufenthG sieht vor, dass im Regelfall das Visumverfahren durch die Auslandsvertretungen, im Ausnahmefall aber an der Grenze durchgeführt wird (§§ 71 Abs. 2 und 3 Nr. 2, 14 Abs. 2 AufenthG).
Ist ein Ausnahmefall gegeben, hat die Grenzpolizei in gleicher Weise unter Beachtung aller Erteilungsvoraussetzungen und
Zustimmungserfordernisse (vgl. §§ 31 ff. AufenthV) das Visumverfahren durchzuführen. Ein nach einem solchen Verfahren erteiltes Ausnahmevisum weist also keinerlei „Minus“ gegenüber einem „gewöhnlichen“ Visum auf und ist daher gleichwertig.
Westphal Huber, Aufenthaltsgesetz, 1. Auflage 2010
Es fehlen also Ausführungen bezüglich zwingender Ausnahmegründe.
Zitat:14.2.5.1 In den folgenden Fällen liegt i. d. R. ein unvorhersehbarer zwingender Einreise- oder Durchreisegrund vor, sofern dieser erst zu einem Zeitpunkt bekannt wurde, zu dem ein reguläres Visumverfahren nicht mehr durchgeführt werden konnte:
-plötzliche schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen oder einer gleichartig nahe stehenden Person,
-Tod eines nahen Angehörigen oder einer gleichartig nahe stehenden Person. Es wird darauf hingewiesen, dass in einigen Kulturen und Religionen eine Beerdigung am Todestag oder an dem auf den Tod folgenden Tag üblich oder sogar religiös geboten ist,
-durch Unfälle, insbesondere Schiffbruch in Gewässern nahe des Bundesgebietes, sonstige Rettungs- und Katastrophenfälle oder aus sonstigen Gründen erforderlich gewordene Einreise zur medizinischen und/oder psychologischen Erstversorgung und ausnahmsweise Folgeversorgung in Deutschland,
-unverschuldetes Versäumen oder Ausfall von Anschlussverbindungen, sofern sich hieraus auf Grund des Einzelfalles die Notwendigkeit einer Einreise ergibt, sowie, bei sonstigen Reisen, von den ursprünglichen Reiseplänen ohne erkennbares Verschulden des Reisenden um bis zu einen Tag abweichende Gültigkeitsdauer des Visums (die Gesamtaufenthaltdauer von 90 Tagen pro Halbjahr darf nicht überschritten werden),
-Notwendigkeit der kurzfristigen Reparatur eines Luftfahrzeuges durch Personal, das durch den Inhaber des Fluggerätes beauftragt wurde. Es ist wegen der erhöhten Sicherheitsbedürfnisse im Luftverkehr das schriftlich erklärte Einvernehmen der Behörden, die für die Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs und des Flughafengebäudes zuständig sind, und des Inhabers des Luftfahrzeuges sicherzustellen.
14.2.5.2 In den folgenden Fällen liegen Sachverhalte vor,in denen aus Gründen des nationalen Interesses ein einheitliches Ausnahmevisum erteilt werden kann:
-Einreise von Mitgliedern der Regierung (Regierungschef; Minister, bei Bundesstaaten nur auf Bundesebene) eines Staates, zu dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält, aus dargelegten dienstlichen Gründen, sofern die behauptete Dienststellung nachgewiesen ist (ggf. beim Auswärtigen Amt anzufragen),
-Einreise zu Gesprächsterminen mit Vertretern deutscher oberster oder oberer Bundes- oder Landesbehörden, sofern ein Einladungsschreiben vorgelegt werden kann; sofern möglich, ist der Termin durch einen Rückruf bei der einladenden Stelle zu verifizieren,
-Einreise zu Veranstaltungen der Bundesregierung oder einer Landesregierung bei Vorlage einer persönlichen, namentlichen Einladung,
-Einreise prominenter Personen des internationalen öffentlichen Lebens (nach internationalem Maßstab bedeutende Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Lebens),
-vorhandenes erhebliches außenpolitisches Interesse nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (stets auf Grund eines in Textform, etwa per Telefax oder E-Mail, einzuholenden Votums des Auswärtigen Amtes, das ggf. über das Bundesministerium des Innern anzufordern ist).
Die vorstehenden Ausnahmegründe erstrecken sich auch auf mitreisende Begleiter. Sofern es sich eher um eine Delegationsgruppe handelt, ist im Zweifel, sofern das Auswärtige Amt nicht selbst votiert, beim Bundesministerium des Innern eine Entscheidung einzuholen.
14.2.5.3 Die folgenden Umstände rechtfertigen beispielhaft, jeweils für sich allein betrachtet, keine Ausnahmeentscheidung:
-Bezeichnung des mitgeführten Passes oder sonstiger Ausweise, sofern hiervon nicht nach europäischem oder deutschem Recht unmittelbar und ausdrücklich eine rechtliche Folge abhängt,
-Ehren- oder akademische Titel, Ehrenprädikate, Adelstitel, Verwandtschaft,
-ökonomische Interessen, es sei denn, es handelt sich um Interessen, die im Einzelfall erkennbar von nationaler Bedeutung für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland sind,
-kurzfristige Änderungen von Reiseplänen,
-Falschinformation durch ein Reisebüro über Visumerfordernisse,
-Einreise von Passagieren im Rahmen einer Kreuzfahrt,
-Wunsch mehrfacher Einreise trotz Ausstellung des Visums nur zur einfachen Einreise,
-Abweichungen des Regelungsgegenstandes der jeweiligen Visa bei mehreren Personen, die zusammen reisen, sofern kein offenkundiger Ausstellungsfehler nahe liegt,
-Beschränkung der Visumgültigkeit nur auf andere Schengen-Staaten trotz erkennbaren Einreisewunsches nach Deutschland,
-angebliche Fehler bei der Visumerteilung durch andere Schengen-Staaten; der Inhalt der entsprechenden Visa liegt allein im Verantwortungsbereich des Ausstellerstaates,
-Eintreffen zur Nachtzeit und Wunsch nach rascher Schaffung einer Übernachtungsmöglichkeit, solange kein medizinisch-pathologischer Zustand festzustellen ist,
-Schwangerschaft, solange kein medizinisch-pathologischer Zustand festzustellen ist.