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"Lebenslang" Leistungen nach § 3 AsylbLG ? (Gelesen: 1.978 mal)
schweitzer
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Das Herz hat Gründe, die
der Verstand nicht kennt.


Beiträge: 9.269

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Mecklenburg-Vorpommern
Germany
Geschlecht: male

Beziehung zum Thema Ausländerrecht: Ehegatte von ehem. Ausländer/in
Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland
Zeige den Link zu diesem Beitrag "Lebenslang" Leistungen nach § 3 AsylbLG ?
10.05.2012 um 10:03:00
 
Folgender Sachverhalt:

Eine (yezidische) Familie reist aus Armenien nach Deutschland ein und betreibt erfolglos ein Asylverfahren. Schlussendlich werden Duldungen wegen Passlosigkeit erteilt. Der Ehemann/Vater der Familie leidet unter erheblichen gesundheitlichen Problemen, u.a. einer sich stetig verschlimmernden Herzerkrankung.

Im Jahr 2007 gibt die Familie aus eigenem Antrieb (!) bei der ABH zu erkennen, dass sie unter falscher Identität eingereist ist und trägt in der Folge maßgeblich und selbst initiativ zur Identitätsklärung bei. In der Folge bemüht sie sich auch selbst um Ausstellung gültiger Passpapiere, was sich zwischenzeitlich infolge bürokratischer Hürden, die in der Verantwortung armenischer Behörden liegen, verzögert. - Ende 2010 liegen die Pässe vor.

Die ABH duldet weiter, inzwischen auch mit Blick auf den Gesundheitszustand des Mannes und ein darauf fußendes neues Verfahren zum Feststellen von zielstaatenbezogenen Abschiebungshindernissen beim BAMF. - Im Ergebnis stellt das BAMF derartige Abschiebungshindernisse fest, der Mann erhält als Rechtsfolge ab November 2011 eine AE gemäß § 25 (3) AufenthG.

Der Ehefrau und den beiden Zwillingsgeschwistern werden ab März 2012 AE gemäß § 25 (5) AufenthG erteilt.

Der Vater erhält ab November 2012 Leistungen nach SGB II (wobei derzeit geprüft wird, ob wegen Arbeitsunfähigkeit ein "Übergang" ins SGB XII angezeigt ist). - Mutter und Töchter erhalten unverändert, ungeachtet der "Einschnitte" der Jahre 2007, 2011 (AE- Erteilung für den Ehemann/Vater) und 2012 (AE-Erteilung für Frau/Mutter und Töchter) von der Sozialbehörde fortgesetzt und unverändert abgesenkte Leistungen nach § 3 AsylbLG - mit der Begründung, dass sie "seinerzeit" ihren Aufenthalt durch Identitätstäuschung rechtsmissbräuchlich verlängert hätten.

Auf Nachfrage bei der Sozialbehörde verwies diese auf Anwendungshinweise des hiesigen Innenministeriums (die mir leider nicht vorliegen), wonach, dies solange gerechtfertigt sei bis ggf. durch einen anderen Aufenthaltstitel der "Wechsel" ins SGB II in Frage käme.

Ich habe nun selbst recherchiert und bin u.a. auf ein BSG -Urteil (B 8/9b AY 1/07 R vom 17.06.2008) gestoßen, dass insoweit eine sehr restriktive und strenge Anwendung nahelegt.

Andererseits ist m.E. im vorgetragenen Fall bereits ab 2010 (Vorliegen der gültigen Pässe), spätestens aber ab November 2011 (Ereilung der AE für den Vater) keine Kausalität zwischen ursprünglichem Fehlverhalten und weiterer Verlängerung des Aufenthalts mehr gegeben gewesen, so dass die fortgesetzte Gewährung nur der abgesenkten Leistungen nach § 3 AsylbLG an Ehefrau/Mutter und Töchter seither nicht mehr rechtlich haltbar sein dürfte.

Ist diese, meine Auffassung nachvollziehbar, korrekt? Gibt es insoweit verwertbare Rechtsprechung?


=schweitzer=
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Beiträge: 725

Beziehung zum Thema Ausländerrecht: Flüchtlingshilfe
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Antwort #1 - 10.05.2012 um 21:46:07
 
Tatsächlich vertritt das BSG in seinem Urteil vom 17.06.2008 zu § 2 AsylbLG die sinngemäße Auffassung "einmal getäuscht = immer böser Ausländer = niemals § 2 AsylbLG".

Schon die trotz Verhaltensänderung (Mitwirkung) ggf. auch über die 48 Monatsfrist hinaus dauerhaft fortgesetzte verhaltensbedingte leistungsrechtliche "Sanktion" - ggf. auch nach mehr als 10 Jahren, völlig egal wie lange das sozialrechtlich missbilligte Verhalten zurückliegt - kann man mit guten Gründen als unverhältnismäßig ansehen.

Und es leuchtet schon garnicht ein, dass trotz Aufenthaltserteilung nach § 25 V weiterhin durch dauerhaft abgesenkte Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und eine eingeschränkte medizinische Versorgung nach § 4 AsylbLG unabhängig von der Aufenthaltsdauer ein Integrationsbedarf verneint und ein Ausreisedruck aufrechterhalten werden soll.

Diese am Wortlaut des § 2 AsylbLG orientierte extrem restriktive Auslegung des BSG kann man mit guten Gründen für unverhältnismäßig und auch für verfassungswidrig halten, dies wurde allerdings vom BVerfG bisher noch nicht überprüft.



Zudem sind die seit 1993 trotz 35 % Preissteigerung unveränderten, seinerzeit von vornherein willkürlich festgesetzen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zwar auch nach Auffassung der Bundesregierung (vgl. deren u.g. Antworten) verfassungswidrig, dennoch wurde bisher nichts für eine Neufestsetzung und Anpassung unternommen.

Offenbar sitzt Ministerin von der Leyen die Frage aus, bis das BVerfG darüber - voraussichtlich im Sommer 2012 - entscheiden wird. Vgl dazu
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/Classen_AsylbLG_Verfassung.pdf
und
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/BMAS_AsylbLG_Gesammeltes_Nichts...



Einstweilen können die geduldeten, asylsuchender oder wegen AE nach § 25 V unters AsylbLG fallenden Familienangehörigen subsidär geschützer Flüchtling aber versuchen, aufgrund von Art. 23 und 28 QualifikationsRL einen Anspruch auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Gleichbehandlung beim sozialhilferechtlichen Existenzminumum mit Inländern geltend zu machen, solange sie noch keine NE nach § 26 IV - ggf iVm § 35 AufenthG beanspruchen können.

Vgl. dazu LSG NRW - L 20 AY 48/08, U.v. 27.02.12, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2418.pdf Anspruch auf Leistun-gen nach SGB II statt nach AsylbLG für geduldete Kinder anerkannter Flüchtlinge aufgrund von Art. 23 iVm Art 28 Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG v. 29.04.04). Ebenso SG Köln S 12 AS 427/12 ER. B.v. 22.03.12, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2419.pdf.
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