LUXEMBURG/WIEN. Die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg legen die EU-Grundfreiheiten für Drittstaatsangehörige, die EU-Bürger heiraten, großzügig aus. Dadurch kann nun ein aus der Türkei stammender Asylbewerber, der seit 2003 noch keinen abschließenden Asylbescheid erhalten hat, wohl auf Dauer in Österreich bleiben. Grund dafür ist seine Heirat mit einer Deutschen, die in Österreich lebt. Dem Ehemann Deniz S. steht nun ein Aufenthaltsrecht zu. Die EU-Richtlinie über die Unionsbürgerschaft sei entsprechend auszulegen, urteilte der EuGH in einem Beschluss, der kürzlich dem Verwaltungsgerichtshof in Wien zugestellt wurde.
In einem Grundsatzurteil hatte der EuGH im Juli 2008 vier in Irland abgewiesenen Asylbewerbern, die Frauen aus anderen EU-Ländern geheiratet hatten, Freizügigkeit zugestanden, obwohl sie illegal eingereist waren. Ein Drittstaatsangehöriger kann sich als Ehegatte eines EU-Bürgers in einem anderen EU-Land auf das Gesetz zur Unionsbürgerschaft ,,unabhängig davon berufen, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie der Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist".
Das Urteil hatte mehrere Regierungen in der EU aufgeschreckt, weil sie Zuwanderung durch die Hintertür befürchten. Durch Scheinehen könnte so der Aufenthalt auch von abgelehnten Asylbewerbern legalisiert werden. Die EU-Innenminister diskutierten bereits eine Verschärfung der Bestimmungen zur Unionsbürgerschaft. Wortführer war Dänemark, es schlossen sich unter anderem Österreich sowie Deutschland und Großbritannien an. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte erklärt, durch den Richterspruch könnten Scheinehen ,,Tür und Tor geöffnet" werden. Weder im irischen noch im österreichischen Fall gab es für den EuGH aber Anhaltspunkte für Scheinehen. Die EU-Kommission ist gegen eine Änderung und argumentiert, die EU-Staaten sollten ihre Maßnahmen gegen Missbrauch strenger auslegen. Im Innenministerium heißt es, es gebe seit dem irischen Urteil bereits vermehrt Anträge auf Aufenthalt, in denen mit Ehen argumentiert werde. Zahlen waren zunächst nicht zu bekommen. Fachleute betonen, eine Scheinehe sei in der Praxis schwer zu beweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof Wien hatte den Fall S. Ende 2007 den EU-Richtern zur Vorabentscheidung vorgelegt. Herr S. hatte 2003 in Österreich Asyl beantragt. Er zog binnen einer Woche zu einer Deutschen, die in Niederösterreich lebt. Im Juli 2005 kam das gemeinsame Kind zur Welt. Im April 2006 heiratete das Paar, ein Monat später beantragte der Ehemann einen Daueraufenthalt für zehn Jahre. Sowohl das Land Niederösterreich als auch das Innenministerium lehnten ab. Begründung: Die Ehefrau sei schon zuvor in Österreich gewesen, daher sei es kein Familiennachzug. Außerdem genieße der Mann als Asylbewerber ohnehin ein vorläufiges Aufenthaltsrecht.
Laut EuGH sind die Bestimmungen so auszulegen, dass alle Familienangehörigen erfasst sind. ,,Hierbei spielt es keine Rolle, dass sich der Familienangehörige zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Eigenschaft oder der Begründung des Familienlebens nach den asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats vorläufig in diesem Staat aufhält."
http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/innenpolitik/art385,91868http://wien.orf.at/stories/333475/http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3885&Alias=wzo&cob=390262Michael