Hallo zusammen,
zuerst eine Anmerkung, dass ich wirklich sehr erfreut bin, dass es ein solches Forum gibt.
Gleichzeitig von vornherein sorry, dass mein Posting so lang geworden ist. Doch nun zum eigentlichen Problem:
Die Ausländerbehörde meines Kreises verlangt von meiner Ehefrau, die die polnische Staatsangehörigkeit hat (ich bin Deutscher, wir haben letztes Jahr in Polen geheiratet), die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis sowie die Vorlage/Überlassung eines Reisepasses (der sich noch bei polnischen Behörden in Polen befindet, da er erst neu beantragt worden ist) zu diesem Zwecke, trotz des Vorhandenseins eines gültigen polnischen Personalausweises. Die Erteilung einer EU-Freizügigkeitsbescheinigung wird verweigert. Dies wird damit begründet, dass man meine Ehefrau wegen unseres derzeitigen Bezuges von Arbeitslosengeld II nicht als freizügigkeitsberechtigte EU-Bürgerin im Sinne des FreizügG/EU ansieht (keine ausreichenden Existenzmittel bei derzeitiger Erwerbslosigkeit) sondern als nachgezogene Ehegattin eines Deutschen im Sinne des
AufenthG. (Von der Berufsausbildung her bin ich Arzt, meine Ehefrau Augenoptikerin.) Die Forderung einer Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis sowie die Forderung der Vorlage eines Reisepasses verstoßen jedoch gegen das auch in der deutschen Gesetzgebung verankerte Gemeinschaftsrecht aller Unionsbürger (unabhängig von der Erfüllung von Freizügigkeitsvoraussetzungen nach FreizügG/EU). Dies wurde mir zuletzt durch die Europäische Kommission am 24.02.2006 bestätigt (als PDF-Datei im Anhang) .
Offenbar liegt hier eine Gesetzeslücke vor, und diese besondere Situation wird nicht eindeutig gesetzlich geregelt. Meiner Ansicht nach bringt meine Ehefrau Eigenschaften mit sich, die die Anwendung sowohl des FreizügG/EU als auch des
AufenthG in geeigneter Weise erfordern. Das würde bedeuten, dass auch wenn meine Ehefrau durch den derzeitigen Bezug von Arbeitslosengeld II nicht die Freizügigkeitsvoraussetzungen nach FreizügG/EU § 2 und § 4 erfüllen sollte, sie dennoch nach
AufenthG § 28 als Ehefrau eines Deutschen hier aufenthaltsberechtigt ist (ansonsten müsste sie ja zurück nach Polen). Hierfür ist sie jedoch vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis sowie des Besitzes eines Reisepasses (bei vorhandenem gültigem Personalausweis) ausgenommen, da auch für sie das Gemeinschaftsrecht aller Unionsbürger gilt (FreizügG/EU § 1, § 2 Abs. 4, § 8 sowie
AufenthV § 3). Mit anderen Worten: Aus ihrem Aufenthaltsrecht, das sich zwar aus einem anderen Gesetz (AufenthG) ableitet, sowie aus ihrer Staatsangehörigkeit eines EU-Staates leitet sich ihre EU-Freizügigkeit ab. Direkt nach ihrer Einreise nach Deutschland habe ich meine Ehefrau ordnungsgemäß beim Einwohnermeldeamt meiner Stadt in meiner Wohnung angemeldet. Bezüglich Krankenversicherung ist sie über mich familienversichert. Des weiteren zeigt sich durch den Bezug von Arbeitslosengeld II, dass meine Ehefrau als Arbeitssuchende der Arbeitsagentur für Arbeitsstellenvermittlung zur Verfügung steht (FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nr. 1). Diese Situation in ihrer Gänze ist faktisch gleichbedeutend mit dem Vorliegen von EU-Freizügigkeitsvoraussetzungen, eine Freizügigkeitsbescheinigung ist somit zu erteilen.
(Wegen der baldigen Geburt unseres Kindes und auch wegen der Unverhältnismäßigkeit der Reisekosten hinsichtlich des Reisezweckes kann meine Ehefrau derzeit nicht nach Polen reisen, um ihren Reisepass abzuholen, der nur von ihr persönlich abgeholt werden kann.)
Mittlerweile droht die Ausländerbehörde sogar mit Abschiebung. Selbstverständlich haben wir daher Angst.
Aus dem oben beschriebenen Sachverhalt würden sich drei Fragen ergeben:
1. Hat meine Ehefrau bei der oben beschriebenen Konstellation Anspruch auf eine EU-Freizügigkeitsbescheinigung, ohne eine Aufenthaltserlaubnis beantragen zu müssen?
2. Sollte trotzdem die klassische Aufenthaltserlaubnis notwendig werden, so kann doch keinesfalls von meiner Ehefrau die Vorlage eines Reisepasses (bei vorhandenem gültigem Personalausweis) verlangt werden? Die Ausländerbehörde begründet diese Forderung lapidar damit, dass man doch den Personalausweis nicht mit der Aufenthaltserlaubnis "zukleben" könne. Dabei besagt
AufenthG § 78 Abs. 1 und 2, dass ein Aufenthaltstitel auch als eigenständiges Dokument ausgestellt werden kann, und zwar in Verbindung mit einem Reisepass oder Passersatz (hier Personalausweis).
3. Wie kann ich die Behörden dazu bewegen, die Binnenmarktvorschriften und unser Recht nicht fehlerhaft anzuwenden? Meine Ehefrau wartet auf eines der beiden Aufenthaltsdokumente, da sie schon seit langem einen Integrationskurs beantragen will, der ihr den Einstieg ins Berufsleben erst ermöglicht.
Mehrere Anfragen bei der Ausländerbehörde mit ähnlichem Inhalt wurden bisher leider nicht beantwortet. Stattdessen, wie oben erwähnt, die Drohung mit der Abschiebung.
Über eine hilfreiche Antwort würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
Shrek_K