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Ausländerrecht >> Ehe und Familie >> Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
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Beitrag begonnen von juanito am 28.03.2019 um 11:28:19

Titel: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 28.03.2019 um 11:28:19
Eine Spanierin und ein Kubaner sind miteinander verheiratet und leben gemeinsam seit ca. 1,5 Jahren in Deutschland. Beide arbeiten. Der Kubaner hat eine Aufenthaltskarte gem. FreizügG/EU.

Jetzt ist die Beziehung in einer Krise. Die Spanierin möchte sich von ihrem Mann trennen und er soll ausziehen.

Allerdings möchte sie ihn nicht gleich "deportieren" wie sie es sagt. Er möchte auch nach einer Trennung nicht nach Kuba zurückkehren.

Welche Möglichkeit hat er, in Deutschland zu bleiben? Ich habe im Hinterkopf, dass es bei Freizügigkeitsberechtigten nicht so sehr auf das eheliche Zusammenleben ankommt, sondern lediglich auf das Bestehen der Ehe. Oder täusche ich mich da?

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Bayraqiano am 28.03.2019 um 11:32:36
Die Freizügigkeit bleibt bei einer Trennung bestehen (auf die eheliche LG kommt es nicht an). Nach der Scheidung darf er weiterhin bleiben, wenn er eigenständig die Voraussetzungen für die Freizügigkeit erfüllt und die Ehe bei Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat. Siehe § 3 Abs. 5 FreizügG.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Aras am 29.03.2019 um 09:17:49
Solange die Spanierin und der Kubaner im gleichen Staat leben, gibt es auch insoweit keine Probleme.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 30.03.2019 um 11:03:22
Vielen Dank!

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 04.11.2019 um 08:35:33

Aras schrieb am 29.03.2019 um 09:17:49:
Solange die Spanierin und der Kubaner im gleichen Staat leben, gibt es auch insoweit keine Probleme.

Die Spanierin hat sich vom Kubaner getrennt, er ist vor ein paar Tagen ausgezogen und sucht eine Wohnung.

Die beiden haben zwei Jahre zusammen in Deutschland gelebt. Die Ehe wird im April 2020 drei Jahre bestehen.

Die Spanierin möchte in einigen Monaten nach Spanien zurückkehren. Das würde sie aus "Goodwill" eventuell so terminieren, dass das erst nach dem dreijährigen Bestand der Ehe geschehen wird.

Von Bayraqiano und Aras (und § 3 Abs. 5 FreizügG) haben wir gelernt, dass er bei einer Scheidung nach April 2020 in Deutschland bleiben könnte. Könnte er auch hierbleiben, wenn sie nach drei Jahren Ehe "nur" nach Spanien zieht?

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Aras am 04.11.2019 um 09:42:18
Nur zur Klarstellung:


Zitat:
die Ehe oder die Lebenspartnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet,


Einleitung ist nicht das gleiche wie Abschluss. Du schreibst, dass "bei Scheidung", was den Abschluss markiert. Der begünstigte Drittstaatsangehörige soll gerade nicht davon profitieren, dass er ggf. das Scheidungsverfahren unendlich lange hinauszieht.

Wenn Sie im April 2020 wegzieht, dann ist es das gleiche wobei dann im April 2021 erst die Scheidung eingereicht werden kann/ werden sollte, wenn nach deutschem Recht geschieden wird.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 06.11.2019 um 10:19:53

Aras schrieb am 04.11.2019 um 09:42:18:
Einleitung ist nicht das gleiche wie Abschluss. Du schreibst, dass "bei Scheidung", was den Abschluss markiert.

Aras, du hast natürlich Recht. Ich habe das nicht richtig formuliert.


Aras schrieb am 04.11.2019 um 09:42:18:
Wenn Sie im April 2020 wegzieht, dann ist es das gleiche wobei dann im April 2021 erst die Scheidung eingereicht werden kann/ werden sollte, wenn nach deutschem Recht geschieden wird.


Ich habe in der AVV zum FreizügG/EU unter 3.1.0 das hier gefunden:


Zitat:
[...]
Die Freizügigkeit der Familienangehörigen ist daher auch auf die Herstellung der Familieneinheit ausgerichtet und in Bestand und Dauer mit dem Aufenthaltsrecht des freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers verknüpft. Das Aufenthaltsrecht des Ehegatten knüpft an die bestehende Ehe an. Dies hat zur Folge, dass auch ein Ehegatte aus einem Drittstaat, der von dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger getrennt lebt, bis zur rechtskräftigen Scheidung ein Aufenthaltsrecht besitzt, sofern der Unionsbürger nicht durch dauerhaften Wegzug ins Ausland sein Freizügigkeitsrecht aufgibt.
[...]


Das klingt für mich so, dass der Kubaner bei Einleitung des Scheidungsverfahrens nach April 2020 in Deutschland bleiben könnte; jedoch nur, solange die Spanierin in Deutschland bleibt. Ansonsten müsste er auch nach Spanien gehen, oder zurück nach Kuba. Beides möchte er nicht.

Ich möchte gern verstehen, was passiert, wenn die Spanierin aus Deutschland wegzieht. Die Folgen von Trennung und Scheidung bei weiterem Aufenthalt in Deutschland sind eigentlich gut beschrieben.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Aras am 06.11.2019 um 11:19:15
Ich musste zweimal lesen was du meinst.

Also wenn die Spanierin vor April 2020 nach Spanien zieht und so Fakten schafft, dann hat der Kubaner ein aufenthaltsrechtliches Problem, denn dann gibt es ja keinen Grund warum er in Deutschland lebt. Also die Spanierin müsste bis April 2020 hier bleiben (was ja durch melderechtliche Abmeldung beim örtlich zuständigen Einwohnermeldeamt auch nachvollziehbar ist).

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 06.11.2019 um 13:02:17

Aras schrieb am 06.11.2019 um 11:19:15:
Also die Spanierin müsste bis April 2020 hier bleiben

Mhh... Ich frage mal ganz direkt: Wo steht das? Ich sehe die Rechtsgrundlage nicht.

Die Formulierung der AVV "sofern der Unionsbürger nicht durch dauerhaften Wegzug ins Ausland sein Freizügigkeitsrecht aufgibt" spricht sogar eher dagegen, dass der Kubaner auch nach April in Deutschland bleiben darf.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Aras am 06.11.2019 um 19:43:30
EuGH, Urteil v. 16.7.2015, C-218/14

https://www.haufe.de/recht/familien-erbrecht/verlust-des-aufenthaltsrechts-in-der-eu-bei-wegzug-des-ehegatten_220_312218.html


Zitat:
Ein Drittstaatsangehöriger verliert sein Aufenthaltsrecht in einem Aufnahmemitgliedstaat, wenn die mit ihm verheiratete Unionsbürgerin aus diesem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzt, wegzieht und die Ehe nach dem Wegzug in einem anderen Mitgliedstaat geschieden wird.


Anmerkung: Es ist egal wo geschieden wird.



Zitat:
Gemäß Art. 13 der Richtlinie führt eine Scheidung nur dann nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen, wenn die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens mindestens drei Jahre und davon mindestens eines im Aufnahmemitgliedstaat bestanden hat.



Zitat:
Der EuGH vertrat bei seiner Entscheidung eine eng am Wortlaut der Richtlinie 2004/38 orientierte Auslegung. Im Vordergrund sah der EuGH die Vorschrift des Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie, wonach Drittstaatsangehörige beim Wegzug des der EU angehörigen Ehegatten ihr Aufenthaltsrecht nur so lange behalten, bis die gemeinsamen Kinder ihre Ausbildung in einer Bildungseinrichtung in diesem Staat abgeschlossen haben. Ist dies - wie in allen drei anhängigen Fällen - nicht der Fall, so verliert der Drittstaatsangehörige nach Auffassung des EuGH sein Aufenthaltsrecht mit Wegzug des der Union angehörigen Ehegatten.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 04.03.2020 um 14:28:55
Ich nehme den Thread mal wieder auf, auch wenn die Problematik vielleicht eine andere ist.

Und ich komme nun auch noch ins Spiel. Der Kubaner hatte 2016 und 2017 Besuchsvisa beantragt, für die ich damals Verpflichtungserklärungen abgegeben habe. Die Besuchsvisa wurden damals abgelehnt und damit waren die VE aus meiner Sicht gegenstandslos.

Der Kubaner und die Spanierin haben danach in Kuba geheiratet und er kam dann Ende 2017 auf Grund der abgeleiteten EU-Freizügigkeit nach Deutschland.

Die Trennung artet mittlerweile in einen Rosenkrieg aus. Der Kubaner ist im November 2019 ausgezogen, lebt seitdem also nicht mehr mit der Spanierin zusammen. Es gibt viel Streit und auch Handgreiflichkeiten. Er hat sich wahrscheinlich auch nicht beim Einwohnermeldeamt umgemeldet, das weiss ich aber nicht sicher.

Die Spanierin möchte, dass er nach Kuba zurückkehrt. Das möchte er aber nicht. Deshalb ist die Spanierin zur ABH gegangen, um zu fragen, wie sie das bewerkstelligen kann. Wahrscheinlich gar nicht, das habe ich ihr vorher auch gesagt.

Die ABH sagte ihr beim Termin, dass sie da nichts machen könne (war mir klar) und dass es ja noch die Verpflichtungserklärung durch mich gäbe. D.h. wenn es doch aufenthaltsbeendende Maßnahmen gäbe, müsste ich auf Grund der VE dafür aufkommen. Am besten sei es, wenn beide wieder zusammenzögen.

Ich würde jetzt gerne wissen, ob meine VE hier tatsächlich relevant ist. Die war ja für nicht gegebene Besuchsvisa vorgesehen. Tatsächlich ist der Kubaner aber auf Grund der abgeleiteten EU-Freizügigkeit hier. Nach meinem Verständnis ist das so etwas wie ein Zweckwechsel, der spätestens die VE obsolet macht. Oder irre ich?

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von T.P.2013 am 04.03.2020 um 22:54:20
Hallo,

Du irrst nicht.
Es ist nicht nur ein Zweckwechsel, sondern der Zuzug fand in der Tat, aufgrund der vorherigen Heirat, als Ehefrau einer Freizügigkeitsberechtigten statt, für die Deine VEs nicht ausgestellt und nicht erforderlich waren und nicht herangezogen wurden.
Die VEs sind gegenstandslos.

Gruß

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 05.03.2020 um 11:56:42
Vielen Dank!

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 13.08.2022 um 11:51:45
Nächstes Kapitel ;-)

Der Kubaner hat eine neue Aufenthaltskarte beantragt. Die alte ist abgelaufen, weil auch sein Pass abgelaufen ist. Momentan hat er eine FB.

Der Kubaner lebt seit fast (!) 5 Jahren auf Grund der abgeleiteten Freizügigkeit in Deutschland, Ende Oktober wären es 5 Jahre. Er arbeitet und sichert so seinen LU.

Die ABH verlangt, dass er gemeinsam mit seiner spanischen Ehefrau vorspricht, und diese das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft bestätigt. Das möchte sie aber nicht, denn tatsächlich leben beide zwar noch in einer WG zusammen, führen aber keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr.

Kann der Kubaner trotzdem eine neue Aufenthaltskarte bekommen? Auf welche Rechtsgrundlage könnte er sich beziehen?

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Aras am 21.08.2022 um 16:17:32
Sind sie verheiratet?

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 22.08.2022 um 12:59:27
Ja sie sind verheiratet. Allerdings will die Spanierin die Trennung.

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von SimonB am 22.08.2022 um 13:15:34

juanito schrieb am 22.08.2022 um 12:59:27:
Allerdings will die Spanierin die Trennung.

Das wollte sie schon vor 3,5 Jahren.
Die beiden sind nach wie vor verheiratet. Sie leben z.Zt. sogar wieder zusammen-getrennt in einer Wohnung.
Wird das eine unendliche Geschichte?

Sie will die Trennung, schiebt sie aber seinetwegen hinaus, schiebt ihre Ausreise nach Spanien hinaus oder blieb ganz hier. Hat bis heute keinen Scheidungsantrag eingereicht.

Was will sie denn ---im Sinne des >5jährigen Aufenthaltes ihres Ehemannes?


Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von Bayraqiano am 22.08.2022 um 13:35:30

juanito schrieb am 13.08.2022 um 11:51:45:
Kann der Kubaner trotzdem eine neue Aufenthaltskarte bekommen? Auf welche Rechtsgrundlage könnte er sich beziehen?

Schlichtweg auf seine Eigenschaft als Familienangehöriger gem. §§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) FreizügG/EU i.V.m § 5 Abs. 1 FreizügG/EU. Auf die eheliche Lebensgemeinschaft (ein Begriff aus dem nationalen Aufenthaltsrecht) kommt es nicht an, gegenteiliges muss die Ausländerbehörde nachweisen.

Vgl. im Übrigen die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 10.07.2014, Rs. C-244/13 - Ogieriakhi, Rn. 37):

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass das eheliche Band nicht als aufgelöst angesehen werden kann, solange dies nicht durch die zuständige Stelle ausgesprochen worden ist, was bei Ehegatten, die lediglich voneinander getrennt leben, nicht der Fall ist, selbst wenn sie die Absicht haben, sich später scheiden zu lassen, so dass der Ehegatte nicht notwendigerweise ständig bei dem Unionsbürger wohnen muss, um Inhaber eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zu sein (Urteile Diatta, 267/83, EU:C:1985:67, Rn. 20 und 22, sowie Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 58).

Ferner BVerwG, Urt. v. 28.03.2019 - 1 C 9.18 - Leitsatz 1:

Das abgeleitete Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG hängt nicht vom Fortbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Für ein Begleiten im Sinne des § 3 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG genügt nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein gleichzeitiger Aufenthalt der Eheleute im Aufnahmemitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-218/14, Singh - Rn. 54).

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 22.08.2022 um 19:32:28

SimonB schrieb am 22.08.2022 um 13:15:34:
Wird das eine unendliche Geschichte?

Das Potenzial dazu ist da. Es war ein Auf und Ab mit Auszug, Wiedereinzug, Streiten und Vertragen.
Wenn die 5 Jahre rum sind, wird der Kubaner drei Kreuze machen ;-)


schrieb am 22.08.2022 um 13:35:30:
Auf die eheliche Lebensgemeinschaft (ein Begriff aus dem nationalen Aufenthaltsrecht) kommt es nicht an

Vielen Dank erstmal!

Titel: Re: Trennung und abgeleitete EU-Freizügigkeit
Beitrag von juanito am 14.09.2022 um 10:12:56
Der Kubaner hat die neue Aufenthaltskarte bekommen.

Er hat im Termin ein vorbereitetes Schreiben mit der Argumentation basierend auf Bayraqianos Antwort #17 vorgelegt. Das hat die ABH sofort akzeptiert.

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