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Ausländerrecht >> EU- und Schengenrecht (inclusive Besuchsaufenthalte) >> Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
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Beitrag begonnen von frisbeescheibe am 22.03.2019 um 17:53:29

Titel: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von frisbeescheibe am 22.03.2019 um 17:53:29
Mehrfach habe ich im erweiterten Bekanntenkreis Fälle erlebt, in denen die Visumsanträge von Angehörigen von EU-Bürgern in deutschen Auslandsvertretungen nicht angenommen wurden mit der Begründung, der Antragsteller sei im betreffenden Land nicht wohnhaft bzw. kein Staatsbürger des Landes.

Beispiel: Der Österreicher A lebt mit seiner chinesischen Ehefrau B in Australien. Während einer gemeinsamen Reise nach Russland beschließen die beiden, dass sie gerne spontan Verwandte von A in Deutschland besuchen möchten. B beantragt beim Deutschen Konsulat in Kaliningrad ein Schengenvisum als Ehefrau eines EU-Bürgers. Der Antrag wird jedoch nicht angenommen. Begründung: sie müsse den Antrag in ihrem Heimatland bzw. dem Land ihres aktuellen Wohnsitzes stellen.

Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie sollte doch gelten:
"Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt."

Dürfen deutsche Auslandsvertretungen die Bearbeitung solcher Anträge ablehnen?
Mir ist bewusst, dass man im konkreten Beispielfall theoretisch auch an die Grenze fahren und dort vor Ort die Ausstellung eines Schengenvisums beantragen könnte, aber meine Frage ist grundsätzlicher Natur.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Aras am 22.03.2019 um 18:10:31
Nein, natürlich nicht. Der Antragsteller hat Anspruch auf einen schriftlichen, begründeten Ablehnungsbescheid.

Aber warum fährt man nicht einfach an die Grenze, wenn man in Königsberg ist.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von frisbeescheibe am 22.03.2019 um 19:16:38
Das war nur ein Beispiel.
Ich habe ja selbst geschrieben, dass man an die Grenze fahren kann.
Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen der Schengenraum geographisch weit entfernt ist.

Meine Frage bezieht sich eher darauf, ob Familienangehörige von EU-Bürgern deutsche Schengenvisa tatsächlich in ihren Heimat- bzw. Wohnsitzländern beantragen müssen. Die Freizügigkeitsrichtlinie sagt ja sehr deutlich aus, dass die Mitgliedsstaaten bei solchen Visaanträge än großes Entgegenkommen zeigen sollen.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Aras am 22.03.2019 um 19:21:02
Und ich habe deine Frage eindeutig und klar beantwortet.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Steve Dash am 24.03.2019 um 09:40:13
Die Österreicher stellen sich auch gerne quer

Familienangehörigen von EU-Bürgern die erforderlichen Visa auszustellen und verlangen Unterlagen die nicht gefordert werden dürfen.

Erst nach telefonischer Beschwerde und genauem Zitat der EU Verordnung als Kopie per email wurden dann die Visa ausgestellt.


Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Aras am 24.03.2019 um 10:36:35
Ich habe die Österreicher bis zum Verwaltungsgerichtshof gezerrt und trotzdem haben wir das Visum nicht bekommen.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von grisu1000 am 24.03.2019 um 19:35:22

frisbeescheibe schrieb am 22.03.2019 um 19:16:38:
eine Frage bezieht sich eher darauf, ob Familienangehörige von EU-Bürgern deutsche Schengenvisa tatsächlich in ihren Heimat- bzw. Wohnsitzländern beantragen müssen. D


Schengevisum oder einfaches Einreisevisum. Zwei verschiedene Rechtsgrundlagen, auch wenn es am Ende das gleich Papperl ist.

Beim Schengenvisa, also Viskodex ist in Artikel 6 grundsätzlich geregelt, das das Konsualt des Wohort zuständig ist. Ausnahmen nur bei Begründung.

Die EU Richtlinie regelt das nicht im Detail, das Visahandbuch verweist aber auf den Visakodex.

Von der Praktkabiiilität eines solches Visa mal abgesehen. Immerhain hat das Konsulat 15 Tage Zeit über den Antrag zu entscheiden.

Bei beiden gibt es das Regime des Visa an der Außengrenze

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Steve Dash am 26.03.2019 um 09:13:32

grisu1000 schrieb am 24.03.2019 um 19:35:22:
Schengevisum oder einfaches Einreisevisum. Zwei verschiedene Rechtsgrundlagen, auch wenn es am Ende das gleich Papperl ist.

Beim Schengenvisa, also Viskodex ist in Artikel 6 grundsätzlich geregelt, das das Konsualt des Wohort zuständig ist. Ausnahmen nur bei Begründung.

Die EU Richtlinie regelt das nicht im Detail, das Visahandbuch verweist aber auf den Visakodex.

Von der Praktkabiiilität eines solches Visa mal abgesehen. Immerhain hat das Konsulat 15 Tage Zeit über den Antrag zu entscheiden.

Bei beiden gibt es das Regime des Visa an der Außengrenze


Wenn Du das Visum aber in Thailand brauchst, bringt die Regelung mit der Außengrenze nicht viel, das Boarding wird verweigert.

Bringt dann nur etwas, wenn man mit dem Auto fährt und muss sich im Extremfall auf stundenlanges warten einstellen

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von frisbeescheibe am 27.03.2019 um 11:34:50

Aras schrieb am 22.03.2019 um 19:21:02:
Und ich habe deine Frage eindeutig und klar beantwortet.


Natürlich hat der Antragsteller Anspruch auf einen Bescheid, gegen den er notfalls klagen kann.

Meine Frage ist aber, ob ein Drittstaatler, der im Rahmen einer gemeinsamen Reise nach Deutschland seine vom österreichischen Ehepartner abgeleitete Freizügigkeit geltend machen möchte und zu diesem Zweck ein Einreisevisum bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragen will, dies bei jeder deutschen Auslandsvertretung tun kann.
Gibt es Einschränkungen? Wenn ja, auf welchen Rechtsgrundlagen basieren diese Einschränkungen?


Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von reinhard am 27.03.2019 um 12:07:18

frisbeescheibe schrieb am 27.03.2019 um 11:34:50:
Meine Frage ist aber, ob ein Drittstaatler, der im Rahmen einer gemeinsamen Reise nach Deutschland seine vom österreichischen Ehepartner abgeleitete Freizügigkeit geltend machen möchte und zu diesem Zweck ein Einreisevisum bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragen will, dies bei jeder deutschen Auslandsvertretung tun kann.
Gibt es Einschränkungen? Wenn ja, auf welchen Rechtsgrundlagen basieren diese Einschränkungen?


Wenn sie hier leben: Nein, denn dann brauchen sie für eine gemeinsame Reise kein Visum.

Wenn sie sonstwo in der Welt leben: Es ist immer die deutsche Auslandsvertretung zuständig, wo die Chinesin ihren legalen Wohnsitz hat. Das ist meistens China. Wenn die Chinesin Arbeit und Aufenthaltstitel in Südafrika hat, ist die deutsche Auslandsvertretung in Südafrika zuständig – nicht aber die, wo sie "nur" Urlaub macht, also beispielsweise Sambia oder Namibia.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von fab87 am 27.03.2019 um 12:26:49

reinhard schrieb am 27.03.2019 um 12:07:18:
Wenn sie hier leben: Nein, denn dann brauchen sie für eine gemeinsame Reise kein Visum.
Wenn sie sonstwo in der Welt leben: Es ist immer die deutsche Auslandsvertretung zuständig, wo die Chinesin ihren legalen Wohnsitz hat. Das ist meistens China. Wenn die Chinesin Arbeit und Aufenthaltstitel in Südafrika hat, ist die deutsche Auslandsvertretung in Südafrika zuständig – nicht aber die, wo sie "nur" Urlaub macht, also beispielsweise Sambia oder Namibia.



Ich bin der Ansicht, dass dies auf den hier beschriebenen Fall nicht zutrifft:

"
(2) Von Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besit- zen, ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 oder gegebenenfalls den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften lediglich ein Einreisevisum zu fordern. Für die Zwecke dieser Richtlinie entbin- det der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 diese Familienangehörigen von der Visumspflicht.
Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt"


Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Art. 5 (2). Und Artikel 1 (2) (a) der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft Wie auch hier schon von anderen an dieser Stelle erörtert.

Grundsätzlich hast du mit dem Prinzip des gewöhnlichen Aufenthalts natürlich aber recht -> Art. 6 des oben genannten Visakodex.



Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von frisbeescheibe am 27.03.2019 um 14:59:33

fab87 schrieb am 27.03.2019 um 12:26:49:
Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt"


Ist der Verzicht auf das Wohnsitzerfordernis nicht genau eine solche „erforderliche Erleichterung“? Letztlich ist das Ziel ja die Ausübung der (abgeleiteten) Freizügigkeit, so dass alles so unkompliziert wie nur irgendwie möglich laufen sollte.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von fab87 am 27.03.2019 um 15:15:59

frisbeescheibe schrieb am 27.03.2019 um 14:59:33:
Ist der Verzicht auf das Wohnsitzerfordernis nicht genau eine solche „erforderliche Erleichterung“? Letztlich ist das Ziel ja die Ausübung der (abgeleiteten) Freizügigkeit, so dass alles so unkompliziert wie nur irgendwie möglich laufen sollte.



Ich bin dieser Auffassung. Aras hat angekündigt heute noch länger zu kommentieren. Da klärt sich das womöglich dann en detail.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von grisu1000 am 28.03.2019 um 02:03:03

frisbeescheibe schrieb am 27.03.2019 um 11:34:50:
Wenn ja, auf welchen Rechtsgrundlagen basieren diese Einschränkungen?


Viskodex als umittelbares eruopäisches Recht als EU-Verordnung. Dort wird nur mit Begründung vom Wohnsitzzuständigkeit abgewichen. Ob ein einfaches Einreisevisum solch eine Begründung ist, wäre wohl durch das EuGH zu prüfen.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von frisbeescheibe am 28.03.2019 um 11:13:09

Zitat:
Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt


Anders gefragt: was sind denn ganz konkret Beispiele für "alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern"?

Und wie stark wird das Verfahren beschleunigt? Wie viel schneller werden Einreisevisa für Familienangehörige von EU-Bürgern im Vergleich zu anderen Visa ausgestellt? Gibt es dazu Zahlen und Erfahrungswerte? Es wird ja schließlich ein beschleunigtes Verfahren verlangt.

Titel: Re: Schengenvisum für Angehörige von EU-Bürgern nur im Land des Wohnsitzes?
Beitrag von Aras am 29.03.2019 um 11:12:20
Also erstmal steht im Artikel 5 der RL 2004/38/EG  die VO (EG) 539/2001 und nicht die VO (EG) 810/2009. In der VO 539/2001 (bzw. in den Anhängen) steht geschrieben, bei welchen Staatsangehörigen für die Einreise Visa gefordert werden kann. Es wird aber nicht darauf verwiesen, auf welcher Rechtsgrundlage die Visa erteilt werden müssen.

Man muss sich ja auch vor Augen führen, dass die RL 2004/38/EG Verordnungen abgelöst hat. Verordnungen sind Parlamentsgesetze die an den einzelnen Bürger gerichtet sind. Eine Richtlinie muss aber vom Mitgliedsstaat umgesetzt werden. Da wir in der EU Staaten haben, die nicht im Schengen Gebiet sind, wie bspw. Irland und vielleicht ab morgen nicht mehr die UK, konnte das EU-Parlament ja nicht die Anerkennung von Schengenvisa per EU-Verordnung den Iren und den Briten aufdrücken. Die haben das per Spezialgesetzgebung umgesetzt und die Family Permits geschaffen.

Es ist auch nicht so, dass das Visakodex einschränkend ausgelegt werden darf. Der Visakodex fordert ja Lebensunterhaltssicherung, die aber im Falle der Unionsbürger ja in den ersten drei Monaten nicht gefordert werden darf. Es ist andersrum: Die Regelungen der RL 2004/38/EG sind lex specialis zur jüngeren VO (EG) 810/2009. Siehe hierzu auch Visakodex-Handbuch Seite 96, Teil III A. 3. Abs., Kommissionsmitteilung K(2010)1620

D.h. immer wenn es eine formelle bzw. verfahrensrechtliche Regelungslücke in der RL 2004/38/EG gibt, greift man auf die VO (EG) 810/2009 zurück. Wenn also bspw. die materielle Voraussetzung der Rückkehrbereitschaft in der RL nicht gefordert wird, kann diese nicht aufgrund der VO (EG) 810/2009 gefordert werden. Auch wenn das die österreichische Botschaft in Teheran fordert.

Wenn aber bspw. in der RL geschrieben steht, sich aus dem Grundrechtekatalog oder gar aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt, dass man einen schriftlichen Ablehnungsbescheid erhalten muss, dann kann die Botschaft nicht trotzdem per Formularbescheid gem. VO (EG) 810/2009 ablehnen. Auch wenn das die österreichische Botschaft in Teheran den Formularbescheid verwendet.

Dahingehend, muss dann gefragt werden, ob die konsularische Vertretung dann auf das Wohnsitzland oder gar Heimatland verweisen darf. Ist das materielle Voraussetzung oder ist das eine verfahrensrechtliche Voraussetzung? Und selbst wenn... ist eine nationale Zuständigkeitsregelung oder eine unionsrechtliche? Wenn es eine nationale Zuständigkeitsregelung ist, dann ist dies völlig unbeachtlich, weil die Mitgliedsstaaten keinerlei Regelungsbefugnis haben um den Familiennachzug zu Unionsangehörigen zu regeln. 

Im Visakodex steht zwar geschrieben, dass die Zuständigkeit bei dem Konsulat liegt, in dessen Bezirk der Drittstaatsangehörige seinen rechtmäßigen Wohnort hat. Aber der begünstigte Drittstaatsangehörige hat eine Anspruch auf die zeitnahe Erteilung des Visums bei dem für den Einreisestaat zuständigen Konsulat. Der Drittstaatsangehörige muss garnicht nachweisen, wo überhaupt sein rechtmäßiger Wohnsitz ist. Wenn also garnicht die Frage des Wohnsitzes gestellt werden darf bzw. die Frage garnicht beantwortet werden muss, ergibt sich auch garnicht dass das Konsulat den Antrag wegen angeblicher Unzuständigkeit ablehnen darf.

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