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Ausländerrecht >> Ehe und Familie >> Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
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Beitrag begonnen von jacikka am 03.04.2017 um 21:13:46

Titel: Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
Beitrag von jacikka am 03.04.2017 um 21:13:46
Hallo,

ich habe einen Arbeitsvertrag unterschrieben und plane den Umzug nach Deutschland.  Deswegen möchte ich auch einen Visumantrag für Kindernachzug für meinen 11 Jahre alten Sohn stellen und habe dem Merkblatt nach folgende Dokumente vorzulegen:

- Sorgerechtsurteil mit deutscher Übersetzung
- Zustimmungserklärung des anderen Elternteils

Ich habe die Botschaft angeschrieben und gefragt ob es um entweder das eine oder das andere Dokument geht wenn ich das alleinige Sorgerecht habe, und die Antwort hieß:

"Auch nach einer Scheidung bleibt das  gemeinsame in einem gewissen Umfang bestehen, deshalb sind beide Unterlagen – Urteil und Zustimmung - erforderlich".

Ich bin mit meinem Ex-Ehemann in ganz schlechten Verhältnissen und die Zustimmung bekomme ich sicher nicht. Inzwischen habe ich so einiges durchgelesen und ich müsste eigentlich einen Antrag ohne seine Zustimmung stellen dürfen, es geht nur um die Feststellung ob ich wirklich das umfassende Sorgerecht in allen Bereichen habe. Das bosnische Gericht vertraute mir das Kind an, mit genauen Worten "das Kind wird mit der Mutter und gesetzlichen Vertreterin leben". Dem bosnischem Familiengesetz nach darf ich alle Entscheidungen inkl. über den Wohnort, selbstständig treffen und muss den Vater nur (natürlich) informieren, seine Zustimmung brauche ich aber nicht, auch wenn das nicht ausdrücklich im Gerichtsurteil steht. 

Ich kann vor Gericht gehen und bekomme mit Sicherheit was auch immer notwendig ist, da der Vater des Kindes seit 8-9 Jahren seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt und auch wegen Gewalttätigkeit in der Familie vorbestraft ist.

Ich war also heute bei einer Anwältin und wollte wissen wie ich einen Gerichtsbeschluss bekommen könnte in dem wortwörtlich stehen würde dass ich alleine personensorgeberechtigt bin, oder ausdrücklich  dass ich den Wohnort wechseln kann oder ggf auch ausdrücklich dass ich mit dem Kind nach Deutschland ziehen darf. Die Anwältin meinte dass sie sich damit "vor Gericht lächerlich machen würde" denn das Sorgerecht und alle Entscheidungsrechte hätte ich jetzt schon.

Was kann ich in diesem Fall machen? Was genau muss in der "entsprechenden rechtsverbindlichen Entscheidung der zuständigen Stelle"  stehen damit ich von der Botschaft im Sinne von § 32 Abs. 1 AufenthG als "der allein personensorgeberechtigte Elternteil" anerkannt werden kann?

Der ersten Antwort nach, könnten sie trotz allem die Zustimmungserklärung verlangen und ich verstehe das ehrlich gesagt nicht.. ich möchte nicht zu aufdringlich sein oder gar ihr Verfahren unter Frage stellen, also hoffe ich hier Antworten zu bekommen.

Vielen Dank im Voraus.

Titel: Re: Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
Beitrag von Petersburger am 03.04.2017 um 21:52:52
Zunächst mal ist es vom Rechtssystem des Staates abhängig, ob es überhaupt ein Sorgerecht im deutschen Sinne als definierter Rechteumfang gibt oder nicht.

Zum Vergleich: In RUS gibt es das nicht.

Mit einer Formulierung wie der von Dir zitierten werden keinerlei elterliche Rechte des Kindesvaters eingeschränkt. Nicht mit dieser Formulierung.

Nicht auszuschließen ist, dass es im Rechtssystem dieses Staates geregelt ist, dass mit einer solchen gerichtlichen Bestimmung, bei wem das Kind leben soll, elterliche Rechte des anderen Elternteils eingeschränkt werden.
Sollte das so sein, dann belege es.

Anderenfalls gehst Du von falschen Voraussetzungen aus.

Nachdem für das Gericht feststeht, dass der Kindesvater seine erforderliche Zustimmung unbegründet oder gar böswillig nicht gibt, sollte eine sinngemäße Entscheidung möglich sein, dass im Interesse des Kindeswohls eine gemeinsame Übersiedlung mit der Mutter nach Deutschland geboten sei und entweder das Gericht die Zustimmung für nicht mehr erforderlich erklärt oder den Vater zur Zustimmung verpflichtet.

Titel: Re: Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
Beitrag von jacikka am 04.04.2017 um 07:47:15
Danke dir vom Herzen für die schnelle Antwort.

Ja, ich verstehe das die Formulierung unglücklich ist, aber die ist Standard in Bosnien. Nach FamG wird bei einer streitigen Scheidung vom Gericht ein Urteil gebracht:

a) mit wem das Kind leben soll und dieser Elternteil übernimmt die elterliche Sorge
b) Falls es nicht gegen Kindesinteresse ist, dem anderen Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt wird, können Rechte oder Pflichten anvertraut werden, z. B. "für die Gesundheit des Antragstellers und seine Beschulung zu sorgen, das Kind in gewissen Angelegenheiten zu vertreten oder an allen wichtigen Entscheidungen über die Aufziehung des Kindes teilzunehmen und dessen Vermögen zu verwalten".

Da in unserem Gerichtsurteil nichts unter b) angeführtes für den Vater eingeteilt wurde, versteht sich dass der Vater keine Mitentscheidungsrechte hat.

Ein zusätzliches Verfahren vor Gericht würde ziemlich lange dauern.
Wie könnte ich das belegen:
Nicht auszuschließen ist, dass es im Rechtssystem dieses Staates geregelt ist, dass mit einer solchen gerichtlichen Bestimmung, bei wem das Kind leben soll, elterliche Rechte des anderen Elternteils eingeschränkt werden.

Kann meine Anwältin der Botschaft ein Schreiben senden? Würde das nicht irgendwie missverstanden werden, ich habe noch nicht einmal einen Antrag gestellt und schalte schon Anwälte ein :(

Titel: Re: Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
Beitrag von jacikka am 04.04.2017 um 07:55:35
Ich habe einen ähnlichen Fall gefunden, da hat das Verwaltungsgericht es richtig gedeutet, auch wenn die Ausländerbehörde zuvor anders entschiedenen hatte:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/anspruch-auf-kindernachzug-aus-bosnien-und-herzegowina_019135.html

Titel: Re: Zustimmung des anderen Elternteils für Kindernachzug verlangt, aber unmöglich
Beitrag von Petersburger am 04.04.2017 um 09:33:38

jacikka schrieb am 04.04.2017 um 07:47:15:
Nicht auszuschließen ist, dass es im Rechtssystem dieses Staates geregelt ist, dass mit einer solchen gerichtlichen Bestimmung, bei wem das Kind leben soll, elterliche Rechte des anderen Elternteils eingeschränkt werden.

Mit Gesetzestexten und/oder Gerichtsurteilen.

Man darf von der deutschen AV und von der ABH nicht erwarten, dass sie Feinheiten des ausländischen Rechts permanent verfolgen und auf Knopfdruck abrufen können.

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