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Randthemen >> Sonstige (deutsche) Rechtsgebiete >> Beratung: Was darf ich, was nicht?
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Beitrag begonnen von AStA am 04.05.2004 um 19:10:26

Titel: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von AStA am 04.05.2004 um 19:10:26
Hi,
ich studiere sozialpädagogik und hab daher folgende (vielleicht böse?) Frage:  mitglieder von Behörden dürfen ja (soweit ich weiß) nur positiv beraten. will meinen nicht auf gesetzeslücken hinweisen etc. wer von euch  kann denn trotzdem und vor allem wie menschen ein hierbleiben ermöglichen, z.B. bei drohender ausweisung? dürft ihr z.B. jemanden dahingehend beraten, eine andere Visumsform zu beantragen? oder z.B. zu heiraten um einer abschiebung zu entgehen? Ein untertauchen empfehlen?
Wie ist das in euren Behörden? Wird sich auf geltendem Recht "ausgeruht" oder setzt ihr und eure Kollegen euch aktiv(genug) für Veränderungen zugunsten eurer Klientel ein?
Augen zudrücken ist nicht gerade üblich in vielen Ämtern. Entscheidet ihr im Zweifel nach Gesetzeslage? Was könnt ihr tun, wenn euer gerechtigkeitsempfinden nicht der Rechtslage entspricht? z.B. bei der Genitalverstümmelung von Afrikanerinnen, die keinen Asylgrund darstellt? Werden einzelnen MitarbeiterInnen überhaupt Spielräume eingeräumt?

Was darf ich später im Job und was nicht? Von einer Antwort hängt unter anderm ab wo ich später arbeiten möchte. Danke für eure Antworten.

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Doc am 04.05.2004 um 19:21:17

schrieb am 04.05.2004 um 19:10:26:
Hi,
ich studiere sozialpädagogik und hab daher folgende (vielleicht böse?) Frage:  mitglieder von Behörden dürfen ja (soweit ich weiß) nur positiv beraten. will meinen nicht auf gesetzeslücken hinweisen etc. wer von euch  kann denn trotzdem und vor allem wie menschen ein hierbleiben ermöglichen, z.B. bei drohender ausweisung? dürft ihr z.B. jemanden dahingehend beraten, eine andere Visumsform zu beantragen? oder z.B. zu heiraten um einer abschiebung zu entgehen? Ein untertauchen empfehlen?
Wie ist das in euren Behörden? Wird sich auf geltendem Recht "ausgeruht" oder setzt ihr und eure Kollegen euch aktiv(genug) für Veränderungen zugunsten eurer Klientel ein?
Augen zudrücken ist nicht gerade üblich in vielen Ämtern. Entscheidet ihr im Zweifel nach Gesetzeslage? Was könnt ihr tun, wenn euer gerechtigkeitsempfinden nicht der Rechtslage entspricht? z.B. bei der Genitalverstümmelung von Afrikanerinnen, die keinen Asylgrund darstellt? Werden einzelnen MitarbeiterInnen überhaupt Spielräume eingeräumt?

Was darf ich später im Job und was nicht? Von einer Antwort hängt unter anderm ab wo ich später arbeiten möchte. Danke für eure Antworten.


Hallo AStA,

die Frage ist nun hinreichend hypothetisch, um dazu sagen zu können, dass es darauf wohl schwerlich eine Antwort geben kann.

Eins steht allerdings fest:

Beamte und Angestellte haben sich an die Verfassung, Gesetze, Verordnungen zu halten. Sie dürfen nur dann gegen Richtlinien, Erlasse u.a. verstoßen, wenn sie offensichtlich im Missklang zu höherwertigem Recht oder der Rechtsprechung stehen.

Ermessensentscheidungen dürfen nicht an persönlichen Neigungen gemessen werden, sondern sie sind am Sachverhalt ausgerichtet und nach bekannten Entscheidungen zu reduzieren.

Dabei muss der Entscheider immer noch Mensch bleiben. Das bedeutet aber nicht, dass er nach Gefühl und Wellenschlag entscheiden kann, wie es ihm in den Sinn kommt. Dann könnte er sich dienstrechtlich angreifbar machen.

Sorry,
aber es handelt sich hier um rechtsstaatliche Grundvoraussetzungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Eine Beratung dürfen wir hier nicht durchführen, weil uns dann die Rechtsanwälte auf den Pelz rückten. Dienstrechtlich dürften wir Möglichkeiten aufzeigen, insoweit es nicht eine Aufforderung zu einer Straftat ist, oder zu illegalen Zuständen führen sollte.

Doc  ;)

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Mick am 04.05.2004 um 19:36:01

schrieb am 04.05.2004 um 19:21:17:
Beamte und Angestellte haben sich an die Verfassung, Gesetze, Verordnungen zu halten. Sie dürfen nur dann gegen Richtlinien, Erlasse u.a. verstoßen, wenn sie offensichtlich im Missklang zu höherwertigem Recht oder der Rechtsprechung stehen.


Das möchte ich noch toppen: Ich darf nur nicht dagegen handeln, wenn ich mich strafbar machen würde. Ansonsten müsste ich remonstrieren. Wenn dieses kein Erfolg hat, habe ich mich an die Weisungen zu halten.

Zum Ausgangsposting:

Es gibt einige Dinge, die einem persönlich nicht gefallen und dennoch muss man es so erledigen, wie es rechtlich vorgesehen ist. Wenn man hierzu nicht bereit ist, sollte man die Finger von dem Job lassen. Es gibt sicherlich genug Leute, die damit nicht klar gekommen sind und sich haben versetzen lassen.

Bei einer Beratung zeige ich auch Alternativen zu gestellten Anträgen auf, wenn diese rechtlich zulässig und erfolgversprechender sind. Auch hiermit sollte keiner Probleme haben, es gibt eine Beratungspflicht! Natürlich gibt es keine Beratung/Anleitung für das Begehen von Straftaten (Untertauchen->ill. Aufenthalt).


Nachtrag:
Habe das Thema hierher verschoben, weil es mit Ausländerrecht wenig zu tun hat, bzw. für viele Rechtsgebiete interessant ist. Das Thema selbst ist wohl eine Mischung aus Verwaltungs-, Verfassungs- und Beamtenrecht.

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Hobolobo am 04.05.2004 um 20:39:12
Hallo AStA!

Also zunächst möchte ich mal betonen, dass die Mitarbeiter aller Behörden ja stets zu einem rechtmäßigen Handeln verpflichtet sind und sich in der Regel ja wohl auch daran halten !

Das erlaubt einem natürlich trotzdem im Einzelfall auch die Beratung in der schwierigen ausländerrechtlichen Frage, wie eine eventuelle Ausreise - zumindest vorübergehend - verhindert werden kann.

Allerdings wird wohl auch kein ABH-Mitarbeiter auf illegale Methoden, wie z.B Untertauchen usw. , verweisen.  Zudem ist dies auch ein völlig ungeeigneter Weg, da bei einem zwischenzeitlichen Untertauchen und nach einem möglichen Aufgriff durch die Polizei,  dann sofort Abschiebehaft beantragt werden kann.

Vielmehr wird wohl stets versucht werden, eine legale Lösung (Wieder-Einreise mit Visum, Eheschließung, Petition, Härtefallkommission, ggf. Asylfolgeantrag)  zu finden, die allen Seiten gerecht wird.

Bemühungen sich für die Änderung der bestehenden Gesetze und ministeriellen Erlasse einzusetzen, sind -bedauerlicherweise - selten von Erfolg gekrönt, da dies ja politische Entscheidungen sind, die  - zumindest ist dies meine Erfahrung - von der Verwaltung nur in sehr begrenztem Umfang beeinflußt werden können.

Ciao  [tipper=tipper.gif]


Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von AM am 05.05.2004 um 15:20:15

schrieb am 04.05.2004 um 19:36:01:
Bei einer Beratung zeige ich auch Alternativen zu gestellten Anträgen auf, wenn diese rechtlich zulässig und erfolgversprechender sind.


Das klingt sehr positiv. Waere gut, wenn so das allgemeine Verhalten von ABHen aussehen wuerde. Wie reagieren Sie, wenn der Auslaender selbst Sie auf eine fuer ihn guenstigere Alternative hinweist ?  Ich kenne zwei Typen von Leuten: ein Typ nimmt es frereundlich an und uberprueft die Moeglichkeit, der andere aergert sich und wird unfreundlicher.

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Mick am 05.05.2004 um 16:06:41

schrieb am 05.05.2004 um 15:20:15:
Das klingt sehr positiv. Waere gut, wenn so das allgemeine Verhalten von ABHen aussehen wuerde. Wie reagieren Sie, wenn der Auslaender selbst Sie auf eine fuer ihn guenstigere Alternative hinweist ?  Ich kenne zwei Typen von Leuten: ein Typ nimmt es frereundlich an und uberprueft die Moeglichkeit, der andere aergert sich und wird unfreundlicher.


Hi AM,
ich würde mich ärgern, dass ich nicht selbst drauf gekommen bin. Aber den Ärger würde ich nicht weiter geben, sondern freundlich bleiben.
Ich nehme an, Du hast keine andere Antwort von mir erwartet  :happy:

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von AM am 05.05.2004 um 16:16:55

schrieb am 05.05.2004 um 16:06:41:
Hi AM,
ich würde mich ärgern, dass ich nicht selbst drauf gekommen bin. Aber den Ärger würde ich nicht weiter geben, sondern freundlich bleiben.
Ich nehme an, Du hast keine andere Antwort von mir erwartet  :happy:


Hast du nur deswegen so geantwortet, wie du geantwortet hast?  :)

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von tibita am 05.05.2004 um 16:51:01
Hallo AM

Es ist ja wohl offensichtlich, dass hier im Forum Leute schreiben, die helfen wollen. Sonst würden die sich gar nicht die Mühe machen, so ein Forum wie dieses hier aufzubauen und am Laufen zu halten.

Wenn Du schlechte Erfahrungen gemacht hast, dann klär das direkt mit den betroffenen Leuten!

tibita

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von AM am 05.05.2004 um 17:26:40

schrieb am 05.05.2004 um 16:51:01:
Hallo AM

Es ist ja wohl offensichtlich, dass hier im Forum Leute schreiben, die helfen wollen. Sonst würden die sich gar nicht die Mühe machen, so ein Forum wie dieses hier aufzubauen und am Laufen zu halten.

Wenn Du schlechte Erfahrungen gemacht hast, dann klär das direkt mit den betroffenen Leuten!

tibita


Meine letzte Antwort war offensichtlich ein Witz  :) Als Auslaender kann ich nur sagen, dass dieser Forum eine hervorragende Moeglichkeit bieten Erfahrungen zu sammeln, ohne sie auf der eigenen Haut sofort zu spueren. Die Reaktion von den Leuten, die helfen wollen, ist auch nicht immer so offensichtlich. Man soll auch lernen, wie man mit ihnen umgeht, wenn man mit ihrer Meinung nicht einverstanden ist. Es gibt durchaus positive Aussichten. Die verschiedene Menthalitaet spielt auch eine grosse Rolle.
All das ist natuerlich Quatsch im Vergleich mit der Problematik, die in dem ersten Posting hier aufgefuehrt wurde.

Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Brian am 06.05.2004 um 14:57:40
Hi AstA,

deine Frage ist durchaus nicht böse und ich glaube, dass fast alle Mitarbeiter von Ausländerbehörden schon ihre Gewissenskonflikte hatten.

Aber:

Wenn das geltende Recht nicht Grundlage des behördlichen Handelns ist, herrscht Willkür.

Wozu streiten sich gewählte Parlamentarier jahrelang über ein Zuwanderungsgesetz, wenn die Behördenmitarbeiter danach handeln, wie es ihrem eigenen Gerechtigkeitsempfinden ("gesundes Volksempfinden" ) entspricht?

Dir wäre es doch auch nicht recht, wenn die Behörden in Bereichen die dir wichtig sind, die Augen zudrücken.

Für das Herbeiführen von Veränderungen gibt es im demokratischen Rechtsstaat die Politik mit allen Akteuren, die bei uns so dazu gehören, z.B. Parteien, Interessenverbände, Bürgerinitiativen, Kirchen, Gewerkschaften, Medien (Sabine Christiansen als Ersatzparlament) etc.

Für die Rechtskontrolle der Behörden gibt es die Gerichte.

Die tägliche Praxis in einer Ausländerbehörde zeigt, dass es bereits genügend Unterstützer und Berater gibt, die häufig aus innerer Überzeugung heraus versuchen, Betroffenen mit oft fragwürdigen Tipps und Tricks dabei zu helfen, die geltende Rechtslage zu umgehen.

Ich erlebe es häufig, dass Ausländer in der Ausländerbehörde über legale Möglichkeiten qualifiziert beraten werden, aber dann doch anders handeln, weil ein anderer Weg bequemer erscheint.

Bei der Jobsuche sollte man sich allerdings sorgfältig überlegen, ob man persönlich mit den Zielen und Aktivitäten des Arbeitgebers klar kommt, oder eben nicht. Dies gilt nicht nur für Behörden als Arbeitgeber sondern auch für kirchliche Institutionen, Biotechfirmen, Energieversorgungsunternehmen, Rüstungsproduzenten etc..  

Und man muss in vielen Berufen eine gewisse professionelle Distanz entwickeln, ohne dabei unmenschlich zu werden. Dies gilt gerade auch für Sozialpädagogen und Mitarbeiter in Ausländerbehörden.

Ich wünsche dir, dass du den richtigen Job für dich findest. Vielleicht machst du mal ein Praktikum bei einer ABH?



Titel: Re: Beratung: Was darf ich, was nicht?
Beitrag von Shadow am 13.05.2004 um 15:57:38
Hi Asta,

noch ein kleiner Nachtragch auch danach, bei welchem Träger Du als Sozialarbeiter/Sozialpädagoge arbeitest. Da gibt's leider ein aus der NS-Zeit stammendes Gesetz, das bis heute Wirkung hat. Mehr findest Du in dem Papier von Rechtsanwalt Hubert Heinhold, "Asylrechtskundige Beratung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz?", Frankfurt am Main, Pro Asyl, 1997.

Ansonsten bleibt nach den vorherigen Beiträgen noch zu ergänzen: Auf jeder Behörde sitzen nur Menschen. Und dageht halt gelegentlich was höllisch daneben, d.h. aus der Sicht von Beratern und Ehrenamtlichen findet oft irgendein nichtöffentlicherr Erlass oft mehr Beachtung, als der geschrieben Gesetzestext. Aber wie schon von anderen geschrieben: Die Kontrolle erfolgt dann eben über das jeweils zuständige Gericht! [smiley=pfeil.gif]

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