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Ausländerrecht >> EU- und Schengenrecht (inclusive Besuchsaufenthalte) >> Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
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Beitrag begonnen von Kuckuck am 02.11.2015 um 06:08:35

Titel: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
Beitrag von Kuckuck am 02.11.2015 um 06:08:35
Hallo,

darf man ein von Deutschland ausgestelltes Schengen-Jahresvisum für Reisen in andere EU-Länder nutzen, wenn Deutschland gar nicht das Endziel von diesen Reisen ist? Und umgekehrt, darf man nach Deutschland mit einem ausländischen Schengen-Visum reisen?

Auf behördlichen Infoseiten zum Schengen-Visum wird behauptet, Reisen in alle Schengen-Länder seien möglich (z.B. hier).

Gleichzeitig wird u. a. in russischen Internet-Foren vielfach berichtet, dass man bei der Einreise Probleme bekommen kann, wenn mann z. B. versucht mit einem griechischen Schengen-Visum nach D einzureisen und dabei gar nicht vorhat, Griechenland zu besuchen. Und dass generell erwartet wird, dass man mit einem Schengen-Visum "vorwiegend" in das Land reist, das das Visum ausgestellt hat.

Was ist nun richtig? Ist ein deutsches Schengen-Visum aus rechtlicher Sicht identisch etwa zu einem polnischen Schengen-Visum, oder sind Schengen-Visa doch in einem gewissen Umfang ländergebunden?

Gibt's irgendwo klare Vorschriften zur Nutzung eines Schengen-Visums zum Nachlesen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein? Im AufenthG steht dazu nichts :(

Danke :)

Titel: Re: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
Beitrag von chr76 am 02.11.2015 um 08:47:36
So ist das mit der EU - alle Regeln sind schwammig, und selbst das wird dann nicht eingehalten.

Zum beantragen von Schengen-Visa gilt:
[list bull-blueball]
  • Man muss es dort beantragen wo man hinreisen will.
  • Wenn mehrere Länder in der geplanten Reise sind muss man es beantragen, wo man überwiegend sein wird.
  • Wenn es kein "Hauptreiseziel" gibt (z.B. weil es eine Rundreise ist), dann muss man es beantragen wo man zuerst einreisen wird. Wenn sich die Reisepläne ändern nachdem man das Visum bereits hat, kann man folgendes feststellen: Man darf immer nur ein gültiges Schengenvisum gleichzeitig besitzen, folglich dürfte man kein neues mehr beantragen, auch wenn es strikt nach Logik notwendig wäre.

    Also kann man sich, wenn man die Regeln kennt, jederzeit rechtfertigen. Man muss es nur richtig machen.

  • Titel: Re: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
    Beitrag von erne am 02.11.2015 um 10:33:59

    Kuckuck schrieb am 02.11.2015 um 06:08:35:
    Was ist nun richtig?


    beides, es geht um Nuancen, die aber wichtig sind.

    Berichtete Probleme gibt es dann, wenn das Visum mit (auch vermuteten und offensichtlichen) Falschangaben erlangt wurde.

    Wurde das Visum mit richtigen Angaben erlangt und es gibt keine offensichtlichen Anhaltspunkte, die das Gegenteil vermuten lassen, ist alles ok.


    Kuckuck schrieb am 02.11.2015 um 06:08:35:
    Ist ein deutsches Schengen-Visum aus rechtlicher Sicht identisch etwa zu einem polnischen Schengen-Visum


    ja


    Kuckuck schrieb am 02.11.2015 um 06:08:35:
    Gibt's irgendwo klare Vorschriften zur Nutzung eines Schengen-Visums zum Nachlesen, 

    http://www.info4alien.de/gesetze/eu/Visakodex_VO_2009-810_L_243_DE.pdf
    http://www.info4alien.de/gesetze/eu/Visa-Handbuch-de.pdf

    Titel: Re: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
    Beitrag von Petersburger am 02.11.2015 um 10:57:10

    Kuckuck schrieb am 02.11.2015 um 06:08:35:
    Was ist nun richtig?

    Richtig ist - von einer kleinen Ausnahme - die Darstellung von chr76.

    Das AufenthG kann keine Fälle anders (oder enger oder weiter) regeln, als es schengenrechtlich vorgegeben ist. Daher sind dort auch keine Aussagen getroffen.

    Entscheidend ist die wahrheitsgemäße Angabe über das Hauptreiseland - bestimmt nach den von chr76 angeführten Kriterien - im Visumantrag.
    Passend zum beantragten Zeitraum.

    Wer z.B. wahrheitsgemäß in seinen Antrag schreibt: Hauptreiseziel Deutschland, diesen Antrag bei z.B. den Spaniern einreicht und sein Visum bekommt, der hat alles richtig gemacht.
    Der Fehler liegt dann bei den spanischen Kollegen, die hätten an uns verweisen müssen.

    Wer ein italienisches Visum für einen Fünf-Tage-Urlaub in Italien beantragt (für den konkreten Zeitraum!) und ein Zweijahresvisum bekommt, kann in den zwei Jahren tun und lassen, was er will. Auch dann, wenn der Urlaub z.B. wg. Krankheit ausgefallen ist.

    Das ist der rechtliche Teil.

    In der Praxis:
    In RUS - und insbesondere in Moskau und St. Petersburg mit jeweils einer Vielzahl von Schengenvertretungen - werden Visa meist über irgendwelche "Agenturen" beantragt, die dann an den Dokumenten drehen bis zum Gehn-Nicht-Mehr.
    Anträge werden bei den Vertretungen gestellt, bei denen es die Agentur für einfacher hält - selbstverständlich mit Falschangaben.

    Das genau führt dann dazu, daß bei offensichtlichen Fällen nicht nur deutsche Grenzbeamte solche Visuminhaber zurückweisen.
    Und zu den entsprechenden Problemen, über die dann in den Foren mehr oder weniger sachlich berichtet wird.


    Die kleine Ausnahme:

    chr76 schrieb am 02.11.2015 um 08:47:36:
    Man darf immer nur ein gültiges Schengenvisum gleichzeitig besitzen, folglich dürfte man kein neues mehr beantragen, auch wenn es strikt nach Logik notwendig wäre.

    Eine solche Notwendigkeit gibt es nicht. Weder nach Logik, noch nach irgendeiner mir bekannten Rechtsvorschrift.
    Es hilft höchstens, Diskussionen an der Grenze zu vermeiden.

    Jedoch besteht immer die Möglichkeit, ein neues Schengenvisum zu beantragen und gleichzeitig mit dem Antrag (schriftlich) um Aufhebung des vorhandenen zu bitten (Art. 34 Abs. 3 VK).

    Titel: Re: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
    Beitrag von Kuckuck am 02.11.2015 um 17:06:48

    Petersburger schrieb am 02.11.2015 um 10:57:10:
    In der Praxis:
    In RUS - und insbesondere in Moskau und St. Petersburg mit jeweils einer Vielzahl von Schengenvertretungen - werden Visa meist über irgendwelche "Agenturen" beantragt, die dann an den Dokumenten drehen bis zum Gehn-Nicht-Mehr.


    Also in meinem konkreten Fall - ein russischer Verwandter hat gerade ein deutsches Schengen-Jahresvisum  (90 Tage pro Halbjahr) bekommen, um mich zu besuchen (mit meiner Verpflichtungserklärung, offiziell beim deutschen Visazentrum beantragt).

    Er ist mit dem Visum noch nicht gereist (also auch nicht nach D).

    Jetzt überlegen wir uns, gemeinsam nach Spanien zu reisen. Dabei ist es sinnvoller, wenn er direkt von Russland nach Spanien fliegt, statt einen Umweg über D zu machen.

    Muss er befürchten, an der spanischen Grenze abgewiesen zu werden, weil das Visum ja für Deutschland beantragt wurde?

    Titel: Re: Schengen-Visum - ländergebunden, oder nicht?
    Beitrag von Petersburger am 02.11.2015 um 17:27:48
    Mit Deiner Verpflichtungserklärung und irgendeinem Beleg dafür, daß Du auch dort sein wirst, dürfte da nicht allzuviel Schlimmes passieren.

    Vor allem, wenn glaubhaft erklärt wird, daß das nur der Startschuß ist und danach noch weitere Reisen nach DEU geplant ist.

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