Also ich hab meinen Teil getan und beim Bürgerforum letzten Monat das Problem allgemein und direkt dem Herrn Bundesminister vorgetragen. Er gab mir die Möglichkeit eine E-Mail direkt an seine Stabsstelle zu schicken und meine Bedenken durch das zuständige Fachreferat prüfen zu lassen.
Ich hab auch eine entsprechend lange und ausführliche E-Mail geschickt.
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
danke dass ich mein Anliegen direkt bei Ihnen vorbringen kann.
Mir geht es um folgende Absätze aus dem Abschnitt Freizügigkeit des VIsumhandbuchs:
"Gibt der Familienangehörige jedoch bei Antragstellung bereits einen (nachweisbaren) längerfristigen Aufenthaltszweck i.S.d. § 2 Abs. 2 FreizügG/EU an, so richtet sich die Visumbearbeitung nach den hierfür geltenden besonderen Voraussetzungen. b) Der Anspruch auf Einreise drittstaatsangehöriger Familienangehöriger zur Begleitung von oder zum Nachzug zu Unionsbürgern, die sich länger als drei Monate zu Erwerbszwecken (Arbeitnehmer, Selbstständige, Dienstleistungserbringer und - empfänger) in Deutschland aufhalten, richtet sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 1-4 i.V.m. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU. "
"Das Einreisevisum wird als nationales „D“-Visum erteilt. Es wird insbesondere im Hinblick auf mögliche Grenzkontrollen, durch den Hinweis „Familienangehöriger eines Unionsbürgers/EWR-Bürgers“ im Hinweis-/Auflagenfeld des Visumetiketts kenntlich gemacht (vgl. Anlage 22 Visakodex-Handbuch)."
Diese Regelungen stehen aber im Widerspruch zum Europarecht.
Selbst wenn der Unionsbürger äußert, dass er einen Aufenthalt von mehr als 3 Monaten plant, hat dieser trotzdem den Anspruch sich für drei Monate zur Arbeitssuche ohne weitere Voraussetzungen und nur mit Besitz von Reisepass bzw. Personalausweis aufhalten zu dürfen, Artikel 6 der RL 2004/38/EG bzw. sogar für 6 Monate unter § 2 II 1a FreizügG/EU. Während diesen drei Monaten hat der Unionsbürger die Möglichkeit die Voraussetzungen für einen der Freizügigkeits-Tatbestände nach §§ 3 und 4 des FreizügG/EU bzw. Artikel 7 der RL 2004/38/EG zu schaffen.
Wenn also die Auslandsvertretung vor der Einreise die Lebensunterhaltssicherung oder den Krankenversicherungsschutz prüfen möchte, dann ist dies nicht vom Gesetz gedeckt. Es stellt sich zudem die Frage, ob der Unionsbürger dann nicht sogar gezwungen wird vorzureisen um die Voraussetzungen zu schaffen, also um Wohnraum,
KV und
LU vorweisen zu können. Wenn man diese Frage bejaht, dann führt dies dazu dass die zu schützende Familieneinheit verletzt wird, Artikel 7 der EuGRCh.
Zudem verweise ich auf Seite 7 der KOM(2009) 313 endgültig:
"Die Behörden der Mitgliedstaaten sollten die Familienangehörigen beraten, welche Art von Visum sie beantragen sollen. Sie dürfen von ihnen nicht verlangen, dass sie ein Langzeitvisum, eine Aufenthaltskarte oder ein Visum zur Familienzusammenführung beantragen"
Wenn also die Kommission die Auslandsvertretungen anweist, dass keine anderen Visa als nur die Kurzzeitaufenthaltsvisa verlangt werden dürfen, dann stellt sich die Frage wieso die deutschen Auslandsvertretungen nationale Visa D von begünstigten Drittstaatsangehörigen verlangen. Natürlich stellt sich die Frage, was es bedeutet, wenn die Kommission schreibt, "welche Art von Visum" beantragt werden soll. Man muss jedoch beachten, dass diese Kommissionsmitteilung sich an alle Mitgliedsstaaten wendet, also auch das Vereinigte Königreich, Irland, Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Diese Staaten sind keine Schengen-Vollanwender. Jedes dieser Staaten hat also eigene Visa-Systeme. Darum müssen diese Staaten die Betroffenen beraten und mitteilen, welches Visum das für ihren Fall als begünstigte Drittstaatsangehörige vorgesehen ist.
Außerdem stellt sich die Frage, dass es ja dann indirekt zu einem Missbrauchsvorwurf kommen könnte, wenn man erst angibt nur für einen Kurzaufenthalt nach Deutschland zu reisen und sich dann in Deutschland umentscheidet. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass das formell als Schengenvisum C oder national erteilte Visum D erteilte einfache Visum kein konstitutiver Aufenthaltstitel ist - es ist nicht mal ein Aufenthaltstitel gem. §§ 4, 6
AufenthG. Sie soll nur die Einreise ermöglichen. Mehr nicht. Somit ist die gesamte Unterteilung ob jemand sich für weniger als 3 Monate oder mehr als 3 Monate aufhält nicht vom Europarecht vorgesehen.
Es wurde mir zudem mehrfach vorgetragen, dass die Auslandsvertretungen gerne Krankenversicherungsschutz von begünstigten Drittstaatsangehörigen verlangen. Dies mag aber nur für Privatier-Fälle gem. § 4 FreizügG/EU bzw. Art. 7 I b RL 2004/38/EG zu verlangen sein und auch nur dann, wenn der Unionsbürger bereits in Deutschland seit mehr als 3 Monaten lebt.
Erwerbstätige Unionsbürger - also solche, die selbstständiger oder nicht-selbstständiger Beschäftigung nachgehen, erfüllen bereits einen Freizügigkeitstatbestand. Eine Prüfung ob es in Deutschland einen Krankenversicherungsschutz gibt oder der
LU gesichert ist, ist nicht gesetzlich gedeckt. Der Unionsbürger muss quasi seinem Familienangehörigen nur ein-drei Gehaltsabrechnungen oder ähnlich geeignete Nachweise seiner Erwerbstätigkeit geben, damit dieser die Unterlagen der Auslandsvertretung vorlegt. Mehr ist dahingehend nicht zu prüfen.
Aber um Ihre Bedenken bezüglich der Krankenversicherung zu zerstreuen:
Familienangehörige von erwerbstätigen Unionsbürgern unterliegen regelmäßig der Krankenversicherungspflicht aus § 5 I 13 SGB V. Gemäß § 5 XI S. 2 SGB V sind diese nicht von der Krankenversicherungspflicht ausgeschlossen. Auch gilt für diese Personen nicht die Altersgrenze von 55 Jahren aus § 6 IIIa S. 1, S. 3 SGB V. Eine "Zuwanderung" in die sozialen Sicherungssysteme ist somit nicht, wie beim Bürgerforum angesprochen, verboten oder gar unerwünscht sondern ausdrücklich aus Gründen des Diskriminierungsverbotes erlaubt, Art. 18 AEUV, Art. 24 I S. 2 RL 2004/38/EG.
Nur bei Privatier-Fällen greift § 5 XI S. 2 SGB V und nur dann wenn der Unionsbürger sich bereits länger in Deutschland aufgehalten hat. Dann kann es problematisch werden und ggf. die LU-Sicherung gefordert werden. Ansonsten muss dem Unionsbürger und dem begleitenden Familienangehörigen die Einreise zeitnah erlaubt werden.
Ich könnte Ihnen noch viel viel mehr schreiben. Wie Sie selber wissen, ist die Materie komplex.
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Ich würde an deiner Stelle mehrspurig sein und den Bürgerservice vom Auswärtigen Amt und unabhängig hiervon Solvit einschalten. Ich habe mit Solvit Österreich und Solvit Deutschland schonmal telefonisch zu tun gehabt. Die sind auch Hilfsbereit und versuchen eizuwirken.
Eigentlich kann man nicht das Visum deines Ehemannes verweigern. Wenn du willst, kannst du mir per PN den Namen deines Mannes und die Vorgangsnummer seines Antrages schicken. Ich reiche dass dann direkt beim Ministerbüro ein und erkläre, dass dies ein Beispielsfall ist, wo genau das mit 7 Wochen bereits zu lange dauert. Aber du solltest weiterhin deine Interessen alleine vertreten und Druck machen.