schweitzer schrieb am 30.05.2008 um 08:20:17:Können die Bestimmungen des § 27 den Ehegattennachzug eines Ausländers zu einer Deutschen letztlich tatsächlich verhindern, auch wenn keiner der in den Vorläufigen Anwendungshinweisen des BMI genannten Regelversagungsgründe zutreffend ist, wenn der Unterhalt für die (in diesem Falle drei) Kinder aus erster Partnerschaft nicht durch die Mutter gesichert werden kann?
schweitzer schrieb am 30.05.2008 um 10:39:41:Lässt sich diese Frage eindeutig beantworten oder nicht?
Nein, die Frage lässt sich aus verschiedenen Gründen nicht eindeutig beantworten.
Und zwar übrigens schon deswegen nicht, weil auch die Regelversagungsgründe im Rahmen des § 28 nicht in Stein gemeißelt sind, auch dort ist immer eine einzelfallbezogene Ermessensprüfung erforderlich. Die Regelversagungsgründe aus den VAH sind lediglich beispielhafte Konstellationen.
Es tut mir leid, schweitzer, wenn der Gesetzgeber Ermessen aufstellt, müssen wir ihn beim Wort nehmen.
Ich starte jetzt nochmal einen Versuch, mein Verständnis der Vorschrift wiederzugeben, etwas systematischer und durchdachter vielleicht als letztes Mal.
Anwendungsbereich
§ 27 Abs. 3 gilt für alle Familiennachzüge nach Deutschland, egal ob zu Ausländern oder zu Deutschen
Abgrenzung zu anderen VorschriftenDie "Regelversagungsgründe" beziehen sich auf die Sicherung des
LU der Person, die zuzieht (allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 AufenthG). Dieser ist beim Ehegattenzuzug grundsätzlich nicht erforderlich (§ 28 Abs. 1 S. 3). Die Regelversagungsgründe stellen Ausnahmen von dieser Regel auf. § 27 Abs. 3 schafft gegenüber dieser allgemeinen, im Regelfall nicht erforderlichen Erteilungsvoraussetzung eine zusätzliche, selbstständige besondere Erteilungsvoraussetzung, die nicht an die Person anknüpft, die zuzieht, sondern an die, zu der der Zuzug stattfindet.
TatbestandsvoraussetzungenDer Tatbestand von § 27 Abs. 3 setzt voraus, dass die Person, zu der der Zuzug stattfindet, "für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist". Die Leistungsarten sind im Gesetz klar definiert, Ungenauigkeiten in der Terminologie der VAH sind unbeachtlich.
Problematisch ist, wann jemand für den Unterhalt von
anderen auf Leistungen angewiesen ist. Hier wurde offensichtlich an die Bedarfsgemeinschaften gedacht, aber auf eine handwerklich saubere Anknüpfung ans Sozialrecht verzichtet. Das kann aber der Rechtsanwender schon so hinfriemeln, dass es passt (a.A., muleta ging in die Richtung: zu unbestimmt --> evtl. verfassungswidrig, nützt aber den jetzt im Visumverfahren steckenden Betroffenen wenig). Gemeint sind grob Fälle, in denen die Person, zu der der Zuzug stattfindet, Leistungen nach
SGB II oder XII erhält, und daher ihre Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten nicht erfüllen kann, so dass für die Sicherung des Unterhalts dieser Personen tatsächlich öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden müssen.
ErmessenDie
AE darf bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht schematisch versagt werden, sondern nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung. Hier ist insbesondere eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Zu prüfen sind Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.
Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Zwecks "Verhinderung von Mehrbelastungen der Leistungsträger"?
> Zu verneinen, wenn keine Nettomehrbelastung der Sozialsysteme (vgl. VAH BMI).
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn
> Hier sind Bedeutung u. Tragweite von Art. 6
GG angemessen zu berücksichtigen. Geht es um eine Ehegatten-FZF muss - und insoweit wird der Inhalt der Regelversagungsgründe hier mittelbar doch wieder relevant - eine tatsächliche und nicht nur virtuelle Möglichkeit gegeben sein, die Ehe auch im Ausland zu leben.
> Auch die individuelle Situation ("Vertretenmüssen" des Leistungsbezugs) kann zu berücksichtigen sein.
GesamtbetrachtungBei einer an den verfassungsrechtlichen Anforderungen orientierten Prüfung dürfte eine ermessensfehlerfreie Ablehnung einer
FZF zu Deutschen nur in einem eher geringen Anteil der Fälle möglich sein. Ich muss insoweit meine frühere Aussage (anderer thread), es dürfe nicht zwischen Deutschen und Ausländern differenziert werden, etwas korrigieren. Denn bei der Ermessensausübung ist grdsl eine Eheführung im Heimatstaat immer eher zumutbar als in einem fremden Staat. Im ganzen handelt es sich bei § 27 Abs. 3 sicher um eine schlecht handhabbare, ungenaue und im Ergebnis wohl auch überflüssige Vorschrift. Der Sinn von S. 2 ist mir völlig unklar.